Fragen und Antworten Die Zukunft des Iran-Abkommens: Was hat Donald Trump vor?
Washington/Brüssel (dpa) - Die Würfel sind gefallen: US-Präsident Donald Trump zieht sein Land aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurück und führt die Sanktionen gegen das Land wieder ein. Die große Frage lautet nun: Was kommt jetzt?
Wie will Trump den Iran dazu bringen, nicht nur das Abkommen einzuhalten, sondern sich sogar viel weitergehenden Forderungen zu unterwerfen? Und wie gehen die Europäer mit der Situation um, vom großen Verbündeten einfach nicht beachtet worden zu sein? Die wichtigsten Fragen zur Iranentscheidung des US-Präsidenten:
Hat das Atomabkommen jetzt ohne die USA noch eine Überlebenschance?
Kurzfristig sicherlich. Der Iran und alle anderen Unterzeichner-Länder wollen an der Verpflichtung festhalten, das haben Teheran, die Europäer und auch Moskau nur Minuten nach Trumps Entscheidung unmissverständlich erklärt. Nur: Der Iran könnte durch die Wiedereinführung der US-Sanktionen um einen Großteil der wirtschaftlichen Früchte gebracht werden, die er sich durch die Einhaltung des Abkommens erhofft hatte. Das liegt daran, dass die US-Sanktionen nicht nur amerikanische, sondern auch ausländische Unternehmen treffen können, die mit dem Iran Geschäfte machen. Wenn die Führung in Teheran merkt, dass die Einhaltung des Abkommens für den Iran keinen Nutzen mehr hat, könnte der Deal langsam aber sicher in sich zusammenfallen.
Was wollen die USA mit dem Schritt bezwecken?
Donald Trump sieht im Iran eine große Gefahr. Seine ganze Nahostpolitik ist von der Auseinandersetzung mit dem Iran geprägt. Ziel ist es, dem Land nicht nur die Mittel zur Entwicklung einer Atomwaffe zu nehmen, sondern den Iran insgesamt zurechtzustutzen, ihm keinesfalls die Vormachtstellung in Nahost zu gewähren. Iranische Einmischungen im Jemen, im Libanon, in Syrien, die von Jerusalem betonte Bedrohung Israels - all das soll möglichst aufhören. Zuletzt kam in Washington auch mehr und mehr die These auf, Trump wolle einen Machtwechsel in Teheran erzwingen. Ob dies mit nicht-militärischen Mitteln möglich wäre, gilt als sehr fraglich.
Sendet Trump Zeichen, was er vorhat?
Nur wenige. Selbst europäische Diplomaten verließen diese Woche kopfschüttelnd das Weiße Haus und wurden mit den Worten zitiert: „Wir würden es gerne verstehen.“ Trump betont, er habe den von seinem Vorgänger Barack Obama zu verantwortenden Deal beendet, um eine „neue Außenpolitik zu starten, die den Iran tatsächlich vom Erlangen einer Atomwaffe abhält“. Ob das konkret heißt, dass die Waffen sprechen werden - das steht in den Sternen. Trumps Vorgänger Obama ist nicht der einzige namhafte Politiker der eine konkrete Kriegsgefahr sieht. Möglich erscheint aber auch, dass Trump ähnlich wie in Nordkorea eine maximale Drohkulisse aufbauen will, um den Iran letztlich zum Einlenken zu bewegen.
Wie will die EU den Iran trotz der Entscheidung von Trump an Bord halten?
Sie werden in den kommenden Wochen versuchen, die wirtschaftlichen Konsequenzen der US-Sanktionen für den Iran so weit wie möglich zu begrenzen. Denkbar ist zum Beispiel, dass ein Abwehrgesetz reaktiviert wird, das bereits 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen worden war. Über das sogenannte „Blocking Statute“ könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die europäischen Unternehmen für möglicherweise entstehende Kosten und Verluste entschädigt werden. Zudem sind eine Unterstützung des Irans durch die Europäische Investitionsbank (EIB) und Hilfen für kleine und mittlere EU-Unternehmen im Gespräch, die sich vorstellen können, im Iran zu investieren. Auch könnte versucht werden, bislang in US-Dollar abgewickelte Geschäfte künftig in anderen Währungen zu machen, um US-Sanktionen zu umgehen.
Also alles kein Problem?
Aus EU-Sicht leider nicht. Die USA könnten zum Beispiel europäischen Banken, die in Iran-Geschäfte verwickelt sind, vom US-Markt ausschließen. Die möglichen finanziellen Konsequenzen solcher Maßnahmen dürfte auch in der EU kaum jemand tragen wollen. Dass die USA nicht zimperlich sind, wenn es um ihre Sanktionsgesetze geht, haben europäische Banken bereits zu spüren bekommen: Die Commerzbank musste 2015 auch wegen Verstößen gegen amerikanische Sanktionen bei Geschäften mit dem Iran 1,45 Milliarden Dollar an US-Behörden zahlen. Auch die französische Bank BNP Paribas wurde bereits mit einer Milliarden-Strafe belegt. Solche Unternehmen könnten zwar von der Anwendung des Abwehrgesetzes ausgenommen werden, dann würde der Iran die US-Sanktionen aber vermutlich stark zu spüren bekommen.
Gibt es Klagemöglichkeiten?
Theoretisch könnte die EU eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO einreichen. In EU-Kreisen wird allerdings bezweifelt, dass ein solcher Schritt erfolgversprechend ist, da „Sicherheitsinteressen“ eine Abweichung von WTO-Regeln erlauben können.
Kann die EU etwas tun, um Trump doch noch zum Umdenken zu bewegen?
In der EU wird erwogen, den Druck auf den Iran in Bereichen zu erhöhen, die nichts mit dem Atomdeal zu tun haben. So setzen sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien dafür ein, neue Sanktionen gegen Personen, Organisationen und Unternehmen zu erlassen, die für die aus EU-Sicht konfliktfördernde Politik des Irans verantwortlich sind oder diese federführend umsetzen. Andere EU-Staaten befürchteten bislang jedoch, dass neue Sanktionen gegen den Iran eher eine Gefahr als eine Chance für die Rettungsversuche für das Atomabkommens darstellen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die ersten Entscheidungen dazu könnten bereits am Mittwochabend kommender Woche fallen. Dann wollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in der bulgarischen Hauptstadt Sofia über die richtige Antwort auf Trumps Entscheidung beraten. Bereits am Montag soll es nach Angaben aus Paris ein Krisentreffen der Außenminister aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien geben. Der amerikanische Präsident muss sich auf jeden Fall auf erheblichen Widerstand gegen seinen Iran-Kurs einstellen. Trump werde sich mit einem geschlossenen Vorgehen der EU konfrontiert sehen, kündigte EU-Ratspräsident Donald Tusk an.