Nach Nervenkrieg: Polizei beendet Geiselnahme im Rathaus
Ingolstadt (dpa) - Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei hat eine fast neunstündige Geiselnahme im Ingolstädter Rathaus beendet. Nach Angaben der Einsatzkräfte wurden die beiden letzten Geiseln bei der Aktion am frühen Montagabend unverletzt befreit.
Der Geiselnehmer, ein 24 Jahre alter Stalker, wurde von den Spezialkräften niedergeschossen und festgenommen. Er soll seit längerem einer Rathausmitarbeiterin nachgestellt haben. Der vorbestrafte Mann hat laut Polizei seit längerem massive psychische Probleme. Am Dienstag soll er dem Haftrichter vorgeführt werden.
Der mit einem Messer bewaffnete Täter hatte zwei Männer und eine Frau festgehalten. Zudem hatte er eine täuschend echte Attrappe einer Pistole bei sich. Eine vierte Geisel hatte er schon kurz nach Beginn des Geiseldramas freigelassen. Am frühen Nachmittag kam dann auch Ingolstadts Dritter Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler) frei - nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Krisenstab und dem 24-Jährigen. Bei der Befreiung der anderen beiden Geiseln schossen die Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) auf den Geiselnehmer und trafen ihn an Schulter und Bein. Seit mehr als einem Jahr hatte der Mann einer Sekretärin nachgestellt, die er am Montag in seine Gewalt brachte.
Die Polizei hatte sich für einen Zugriff durch das SEK entschieden, weil sich die Situation am späten Nachmittag zuspitzte. Die Einsatzkräfte hätten die Aussagen des Täters nicht mehr eindeutig zuordnen können. „Wir haben auf Zeit spielen können und das bewusst genutzt“, sagte Ingolstadts Polizeivizepräsident Günther Gietl. Die Polizei wollte eine Situation wie im Jahr 2009 im Straubinger Hochsicherheitsgefängnis verhindern. Damals hatte ein Häftling eine Therapeutin als Geisel genommen und vergewaltigt.
Das SEK hatte sich zuvor seit den Vormittagsstunden im Umfeld des Rathauses auf den Zugriff vorbereitet. Mehr als 200 Polizisten hatten den Rathausplatz weitläufig abgesperrt, Geschäfte mussten schließen. Ursprünglich sollte am Montag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Rahmen ihrer Wahlkampftour auf dem Rathausplatz auftreten, der Termin wurde jedoch abgesagt.
Der Täter habe wegen des Stalkings der Mitarbeiterin Hausverbot im Rathaus gehabt, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). In den vergangenen Wochen sei der Konflikt eskaliert, nachdem der Mann gegen das Hausverbot verstoßen habe. „Der Begriff Stalker erscheint mir etwas verharmlosend, weil er doch eine ganze Liste von Vorstrafen hat, die weit über das hinausgeht, was man als Stalking bezeichnet“, sagte Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) über den 24-Jährigen. Dabei sei es auch um Körperverletzung gegangen. Der Mann habe mehrere Angestellte der Stadt bedroht, außerdem habe er Mitarbeiterinnen sexuell belästigt.
Der 24-Jährige war am Vormittag kurz vor 9.00 Uhr in das Alte Rathaus der oberbayerischen Stadt gegangen und hatte die Geiseln in seine Gewalt gebracht. Das Motiv des Mannes blieb während der Geiselnahme relativ unklar. „Er möchte, dass wir einen Bescheid aufheben“, sagte Rathauschef Lehmann. Dabei ging es offenbar um das Hausverbot für die städtischen Ämter.
Kurz vor der Beendigung der Geiselnahme hatte der 24-Jährige Tabletten und Essen verlangt. Daraufhin wurden ihm Döner-Portionen ins Rathaus gebracht. Frühere Psychiater des Mannes standen der Polizei beratend zur Seite, noch vor wenigen Wochen war der wohnsitzlose Mann in psychiatrischer Behandlung.
Zudem wurde er Ende Juli wegen Stalkings, Beleidigung und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Laut einem Gutachter sei damals nicht zu erwarten gewesen, dass der Mann eine schwerwiegende Straftat begeht, erklärte Ingolstadts Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walter.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) reagierte erleichtert auf das Ende der Geiselnahme und dankte den Einsatzkräften: „Sie haben professionell, konsequent und klug agiert, um das Leben der Geiseln zu retten.“ Ähnlich äußerte sich der Innenminister. „Das ist ein großartiger Erfolg“, sagte Herrmann.