Doping-Skandal Nachweislich saubere russische Leichtathleten dürfen nach Rio

Lausanne (dpa) - IOC-Präsident Thomas Bach hat den russischen Leichtathleten die Tür zu den Olympischen Spielen in Rio geöffnet und gestattet ihnen den Start unter der Landesfahne.

Foto: dpa

„Wer das Startrecht für die Spiele erhält, wird ein Mitglied des Teams des Nationalen Olympischen Komitees Russlands“, erklärte der deutsche Chef des Internationalen Olympischen Komitees nach dem IOC-Summit in Lausanne. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hatte vorgeschlagen, nachweislich saubere russische Athleten den Start unter neutraler Fahne in Rio zu erlauben.

Das olympische Schlupfloch werden nur wenige Leichtathleten nutzen können. Voraussetzung für eine Teilnahme ist, dass die Sportler sich außerhalb des maroden Anti-Doping-Systems Russlands aufhalten und testen lassen müssen.

Auch Athleten anderer Sportarten aus Russland und ebenso aus Kenia werden vor Erteilung des Startrechts intensiver als jemals zuvor unter die Lupe genommen. „Die IAAF hat einen guten Job gemacht“, sagte Bach. Nun seien die anderen 27 Sommersportverbände gefordert, damit in Rio die Chancengleichheit gewährleistet werde. Für Bach stehen die Sportler beider Länder unter Doping-Generalverdacht: „Die Vermutung der Unschuld der Athleten aus diesen Länder ist ernsthaft infrage gestellt.“

Der Weltverband IAAF hatte die Sperre gegen Russlands Leichtathleten am Freitag wegen massiver Dopingvorwürfe verlängert und sie damit von den Spielen in Rio ausgeschlossen.

Russlands Sportminister Witali Mutko reagierte erleichtert auf die Ankündigung. Russland sei für eine Teilnahme sauberer Athleten bereit, alle Bedingungen des IOC einzuhalten. „Wir werden alles machen, was sie uns sagen“, meinte Mutko der Agentur Tass zufolge in Moskau. Unterdessen kündigte Russlands NOK-Präsident, Alexander Schukow, an gegen die Olympia-Sperre der Leichtathleten Einspruch beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) einlegen zu wollen.

„Russische Athleten, die niemals gegen Anti-Doping-Regeln verstoßen haben, werden sich wie der Leichtathletikverband an das CAS wenden - um die eigenen Interessen zu schützen und die Interessen von anderen sauberen Athleten“, sagte Schukow. Das russische NOK werde diese Klagen unterstützen. „Wie wir die Sache sehen, gibt es eine ganze Reihe von Verstößen gegen die olympische Charta in Zusammenhang mit der Lösung des IAAF.“ Laut der Nachrichtenagentur Tass versicherte er aber auch, dass Russland „keinen Boykott von Olympia“ wolle.

Nach Ende der fast vierstündigen Beratungen von 20 olympischen Sportführern äußerte sich IOC-Vizepräsident John Coates zufrieden über das Ergebnis des Gipfeltreffens: „Es war ein guter Tag.“

Russland muss nach dem IOC-Summit weiter fürchten, noch komplett ins Olympia-Abseits zu geraten. Inzwischen sind auch Vorwürfe zu Doping-Vergehen bei Russlands Schwimmern laut geworden. Außerdem untersucht Richard McLaren im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA Anschuldigungen, ob im Kontrolllabor bei den Winterspielen 2014 in Sotschi tatsächlich positive Proben von russischen Sportlern ausgetauscht und vertuscht wurden.

Wird das IOC hart durchgreifen, wenn sich die Anschuldigungen erhärten? „Das sind Spekulationen. Ich weiß nicht, was wir erfahren und sehen werden“, sagte Bach nur. Kein Blatt vor dem Mund nahm der frühere WADA-Präsident Richard Pound, der im Leichtathletik-Skandal in Russland ermittelt hatte: „Das gesamte russische Team von den Rio-Spielen auszuschließen wäre die nukleare Option, aber sie ist nicht unmöglich.“ Erwartet wird der McLaren-Report bis Mitte Juli.

Das IOC will aber nicht nur sicherstellen, dass die Rio-Spiele so dopingfrei wie möglich werden, sondern das globale Anti-Doping-System grundsätzlich reformieren. „Wir wollen das System überprüfen und erneuern. Es gibt Defizite“, sagte Bach.

Die Anti-Doping-Kontrollen müssten in Zukunft unabhängig von den Sportorganisationen gemacht werden. Die WADA ist gebeten worden, im nächsten Jahr eine außerordentlich Welt-Anti-Doping-Konferenz zu veranstalten. Beim nächsten IOC-Summit am 8. Oktober soll bereits über weitere Maßnahmen beraten werden.