Analyse Nächster Chef bei der Deutschen Bank: Zum Erfolg verdammt
Frankfurt/Main (dpa) - Vier Chefs in sechs Jahren: Die Deutsche Bank, die eigentlich in der Champions League spielen will, verschleißt im Stil abstiegsbedrohter Fußball-Clubs einen Trainer nach dem anderen.
Und ob die Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain, Jürgen Fitschen, John Cryan hießen oder jetzt Christian Sewing, das Grundproblem ist immer das gleiche: Die Geschäfte des einst stolzen Konzerns schwächeln.
Deshalb richten sich die Augen vermehrt auf einen Mann, der seit Mitte 2012 im Hintergrund die Strippen zieht: Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Der Österreicher, der einst bei der Wall-Street-Legende Goldman Sachs Karriere machte, gilt als mächtiger Kontrolleur mit Gestaltungswillen.
Die erneute Rochade irritiert, hatte Achleitner den Briten Cryan doch selbst im Sommer 2015 als Sanierer an der Konzernspitze installiert. Warum also jetzt schon wieder ein neuer Chef?, fragt unter anderem Hans-Christoph Hirt vom einflussreichen Stimmrechtsberater Hermes: „Wir haben einige Fragen an Herrn Achleitner.“ Die Hauptversammlung am 24. Mai dürfte ungemütlich werden.
Schon bei der Ablösung des Investmentbankers Jain durch Cryan meinten etliche Beobachter, der Chefkontrolleur habe zu lange an Jain festgehalten und so die Aufarbeitung alter Skandale gebremst. Nicht wenige Kritiker halten Achleitner für das eigentliche Problem.
„Auch er muss weg“, fordert in gewohnt drastischen Worten Börsenbriefautor Hans Bernecker, eine der bekanntesten Figuren der Frankfurter Finanzszene. Achleitner habe zusammen mit dem nun nach nicht einmal drei Jahren geschassten Vorstandschef Cryan eine „Blutspur“ hinterlassen. „Die Glaubwürdigkeit des Aufsichtsratschefs stellen wir nach wie vor in Frage“, schreibt Bernecker.
Kritiker werfen Achleitner vor, sich allzu häufig ins Tagesgeschäft einzumischen, was eigentlich nicht Aufgabe eines Kontrolleurs ist. „Wer kontrolliert eigentlich den Aufsichtsrat?“, fragt die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA). Die Standesorganisation von Investmentprofis stellt allgemein fest: „Die Gewichte haben sich in Richtung Aufsichtsratsvorsitzender verschoben“, der Chefkontrolleur mische sich „oft stärker ins operative Geschäft“ ein, als dies eigentlich vorgesehen sei.
Andererseits wird Achleitner auch vorgehalten, bei Fehlentwicklungen zu lange weggeschaut zu haben. Im Fall von Jain etwa zog Achleitner erst die Reißleine, nachdem die Aktionäre das damals amtierende Führungsduo Jain/Fitschen bei der Hauptversammlung abgestraft hatten.
Nur wenige wagen sich allerdings öffentlich so weit vor wie Bernecker. Hinter vorgehaltener Hand ist die Kritik aber umso deutlicher. Achleitner habe es „ohne jeden Zweifel verpfuscht“, zitiert die britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“ einen Großaktionär. Ein anderer Investor wird mit den Worten wiedergegeben, Achleitners Bilanz bei der Deutschen Bank sei „verheerend“.
Die Fakten sprechen in der Tat gegen den Chefkontrolleur: Drei Jahre in Folge hat die Deutsche Bank Verluste geschrieben; im einst so gewinnbringenden Kapitalmarktgeschäft sind die Frankfurter immer weiter hinter die angloamerikanische Konkurrenz zurückgefallen.
Im heimischen Privat- und Firmenkundengeschäft machen ihr Sparkassen, Genossenschaftsbanken, die Commerzbank und Direktbanken wie die ING-Diba oder die DKB das Leben schwer. Das ganze Ausmaß des Desasters lässt sich am Aktienkurs ablesen: Sogar in der schlimmsten Phase der Finanzkrise 2008/2009, als ein Zusammenbruch des kompletten Finanzsystems möglich schien, waren die Anteilsscheine mehr wert.
„Unserer Meinung nach ist nicht der Bankchef das Problem, sondern die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Beteiligten“, analysiert einer der weltweit einflussreichsten Branchenkenner die Lage, Kian Abouhossein von der US-Großbank JPMorgan Chase. Ausdrücklich verweist er dabei auch auf den Aufsichtsrat, ohne indes Achleitner namentlich zu erwähnen. Sein Fazit: „Ohne eine klare Strategie, bei der alle Beteiligten mitziehen, wird die Wende bei der Deutschen Bank schwierig.“
Weder dem Investmentbanker Jain, noch dem in der deutschen Wirtschaft bestens vernetzten Fitschen oder zuletzt dem scharfen Analytiker Cryan war es gelungen, die Geschäfte anzukurbeln. Nun soll es also das Eigengewächs Christian Sewing richten - wie Achleitner Fan des Fußball-Rekordmeisters Bayern München. Der 47-Jährige weiß, was von ihm erwartet wird: „Es gibt nichts, worauf wir uns ausruhen können, und die Erwartungen an uns von allen Seiten sind hoch.“ An Sewings Erfolg dürfte auch das berufliche Schicksal Achleitners hängen.