Niersbachs schwere Rolle: FIFA-Zweifel und DFB-Verpflichtung

Zürich (dpa) - Feigheit? Diesen in einer Journalistenfrage formulierten Vorwurf wollte sich Wolfgang Niersbach nicht gefallen lassen. Kurz vor seinem nächsten großen Funktionärs-Karrieresprung sah sich der DFB-Präsident aber vor einer schweren Entscheidung.

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Sein Einzug in das Exekutivkomitee des skandalumtosten Fußball-Weltverbandes stellte Niersbach vor die moralisch schwierige Frage, ob er in dem international kritisierten Gremium wirklich mitarbeiten will oder wie der Engländer David Gill zumindest unter Joseph Blatter auf das Amt lieber verzichtet.

„Was ist damit gewonnen, wenn ich heute schon sage, ich nehme die Wahl nicht an, ich trete das Mandat nicht an. Ganz offen: Schwierige Frage, die bewegt mich, ich will sie sacken lassen, und sie mit meinen Leuten beim DFB besprechen“, sagte Niersbach am Vorabend des FIFA-Kongresses. Für UEFA-Präsident Michel Platini ist Niersbach als enger Vertrauter durchaus ein Joker im angekündigten Machtpoker um einen möglichen kollektiven Austritt der Europäer aus dem FIFA-Exko.

Die ersten Reaktionen lassen aber keinen Zweifel aufkommen: Die deutsche Fußball-Spitze will ihren Chef bei der FIFA sehen. „Gerade angesichts der ungeheuerlichen Entwicklung der vergangenen Tage ist es geboten, dass sich der deutsche Fußball weiterhin klar positioniert. Das sollte auch innerhalb der Gremien geschehen, um an dieser Stelle nicht den Falschen das Feld zu überlassen“, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball.

Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge betonte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Boykotte im Sport haben noch nie die gewünschte Wirkung erzielt. Es ist gerade jetzt Teil der Verantwortung, seriös und konstruktiv an einem Neubeginn in der FIFA mitzuwirken.“

Auch DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock betonte: „Ich habe Respekt vor der persönlichen Entscheidung von David Gill, halte sie aber in der Sache für falsch. Wolfgang Niersbach ist von den UEFA-Verbänden in das FIFA-Exko gewählt worden und kann dem deutschen und europäischen Fußball nur dann helfen, wenn er innerhalb des Gremiums unsere Interessen wahrnehmen kann.“

Die Absprache mit dem DFB ist ungemein wichtig. Denn das Thema der deutschen Vertretung im Zentrum des FIFA-Machtapparats war in den vergangenen Jahren extrem schwierig. Seit dem Rückzug von Gerhard Mayer-Vorfelder - einem Funktionär alter Schule - vor acht Jahren, gab es keine klare Linie im DFB mehr.

Zuerst musste Franz Beckenbauer als polyglotter WM-Macher ran, weil sich der damalige DFB-Chef Theo Zwanziger zierte. Nach vier Jahren inklusive der skandalumwitterten WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022, die dem „Kaiser“ bis heute ein Nachspiel mit Bestechungsverdächtigungen und einer möglichen Befragung durch Schweizer Justizbehörden beschert, gab er sein Amt wieder ab. Beckenbauer wollte sich lieber um seine Familie kümmern, sagte er.

Dann konnte Zwanziger seinen Aufstieg in die internationalen Gremien nicht mehr vermeiden. Der spätere Bruch mit dem DFB und der UEFA führte zu einem peinlichen Possenspiel der deutschen Sportpolitik. Als Zwanziger Untersuchungen der FIFA-Ethikkommission zu Niersbachs Vergütungsregelung veranlasste, war der Konflikt nicht mehr lösbar.

Zwanziger war zuvor schon zum Vertrauten von FIFA-Chef Joseph Blatter aufgestiegen und verteidigte ihn gegen Angriffe der UEFA und des DFB. Zuletzt wollte sich Niersbach gar nicht mehr über seinen Vorgänger äußern.

Das übernahm stattdessen die UEFA: „Das Exekutivkomitee ist traurig und verärgert über sein Benehmen“, sagte Generalsekretär Gianni Infantino im März. „Es ist peinlich für ihn und den deutschen Fußball.“ Eine solche Bankrotterklärung für die deutsche Fußballfunktionärskaste soll es unter Niersbach nicht geben.

Ähnlich unangenehm war die einzige deutsche Zwangspause im FIFA-Exko seit den späten 60er Jahren gewesen: Mayer-Vorfelder hatte 1998 eine Abstimmungsniederlage um den Sitz verloren - gegen den Fußballzwerg Malta. Erst vier Jahre später kehrte das heutige FIFA-Ehrenmitglied in den erlauchten Zirkel zurück.