Nur noch Mini-Wachstum im nächsten Jahr

Berlin (dpa) - Harter Dämpfer, aber keine Rezession: Die Schuldenkrisen in Europa und den USA würgen im nächsten Jahr den Aufschwung ab. Nach zwei Jahren XL-Wachstum muss sich die deutsche Wirtschaft dann mit einem mageren Plus von 0,8 Prozent begnügen.

„Die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum belastet zunehmend die deutsche Konjunktur“, teilten die führenden Forschungsinstitute am Donnerstag in ihrem Herbstgutachten mit. Eine Rezession - nach der großen Finanzkrise war die deutsche Wirtschaftsleistung 2009 stark geschrumpft - sei aber unwahrscheinlich.

Damit wird sich die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auch im kommenden Jahr fortsetzen. Und: Die Arbeitnehmer können sich erneut auf höhere Löhne freuen - allerdings belasten hohe Energiepreise die Verbraucher.

Bei der Euro-Rettung forderten die Ökonomen von Europas Politikern eine große Lösung mit klaren Regeln für Staats- und Bankenpleiten. „Der nächste Wurf muss sitzen“, sagte der Kieler Ökonom Joachim Scheide. Auch sind die Institute besorgt, dass Deutschland und Frankreich sich übernehmen könnten und ihre Spitzenbewertung durch die Rating-Agenturen los werden. Mit einer Eskalation der Bankenkrise wegen einer Umschuldung in Griechenland rechnen die Institute aber nicht. „Eine Ansteckung in dem Ausmaß wie nach der Insolvenz von Lehman Brothers (2008) ist wenig wahrscheinlich.“

Uneins sind die Wirtschaftsforscher bei der Bewertung der Notkäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Die Mehrheit der Institute meint, die EZB habe sich zu weit aus dem Fenster gelehnt und gefährde ihre Unabhängigkeit von der Politik. Die Experten vom Institut für Weltwirtschaft Halle (IWH) und Kiel Economics halten die EZB-Aktionen dagegen für gerechtfertigt.

Die Experten korrigierten wegen größerer Risiken für die Weltwirtschaft und der ungelösten Schuldenkrise ihre Prognose aus dem Frühjahr von 2,0 Prozent für 2012 deutlich nach unten. „Wir haben zunehmend Schleifspuren in der Konjunktur“, sagte Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Im laufenden Jahr seien aber noch 2,9 Prozent Wachstum möglich.

Auch aus Sicht der EZB trübt die Staatsschuldenkrise zunehmend das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmern. Für die zweite Jahreshälfte sei nur noch mit einem sehr moderaten Wachstum der Wirtschaftsleistung zu rechnen, schrieb die Notenbank in ihrem Monatsbericht.

Auf dem Arbeitsmarkt geht das deutsche „Jobwunder“ weiter. Im nächsten Jahr wird laut Gutachten die Arbeitslosenquote im Schnitt auf 6,7 Prozent sinken (2011: 7,0 Prozent). Die Zahl der Arbeitslosen soll auf Jahressicht von 2,968 Millionen auf 2,815 Millionen zurückgehen.

Die Arbeitnehmer profitieren vom Aufschwung auch im Geldbeutel. Im kommenden Jahr dürften die tariflichen Stundenlöhne um 2,5 Prozent steigen: „Die Lohn- und Gehaltsrunde 2011 ist weitgehend abgeschlossen, mit vielen Vereinbarungen, die auch das Jahr 2012 betreffen.“ Steuersenkungen sehen die Ökonomen grundsätzlich skeptisch. Ein Abbau der kalten Progression - Lohnerhöhungen werden großteils von der Steuer wieder aufgefressen - sei aber sinnvoll.

Belastet werden die Bürger durch die Inflation. Die Verbraucherpreise legten wegen höherer Energiekosten im September um 2,6 Prozent zu - der höchste Stand seit drei Jahren, berichtete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Die Institute aber gehen davon aus, dass sich die Teuerung 2012 mit 1,8 Prozent wieder abschwächt.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hält die deutsche Wirtschaft trotz der erwarteten Konjunkturflaute unverändert für einen „Stabilitäts- und Wachstumsanker“ in Europa.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles griff die Euro-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an: „Durch das Zaudern und Zögern von Merkel ist die Krise im europäischen Währungsraum zu einer Krise in der deutschen Realwirtschaft geworden.“