Politischer Streit über Bahn-Anschläge

Berlin (dpa) - In der Politik ist ein Streit über die Gefährlichkeit der mutmaßlich linksextremen Bahn-Attentäter entbrannt. Die SPD wies Warnungen aus der Bundesregierung vor einem neuen linksextremen Terrorismus zurück.

Die Brandsätze hätten mit Terrorismus nichts zu tun, sagte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der „Süddeutschen Zeitung“. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte vor übertriebenen Reaktionen. Verfassungsschützer und Polizeigewerkschaft sehen dagegen eine zunehmende Gewaltbereitschaft in der linksextremen Szene.

Nach mehreren Funden an Bahnlinien in Berlin und Brandenburg in den vergangenen Tagen wurden in der Nacht keine neuen Brandsätze entdeckt. Nach wie vor gab es aber Zugausfälle und Verspätungen. Betroffen war nach Angaben der Bahn vor allem die Strecke Berlin-Hamburg, wo es noch Verspätungen bis zu einer Viertelstunde gab. Es sei nicht abzusehen, wann die Behinderungen beseitigt sein werden, teilte die Bahn mit.

Durch die Brandsätze, die an Gleisen und Kabelschächten gefunden wurden, haben sich seit Montag rund 2000 Züge wegen der Streckensperrungen verspätet. Mutmaßlich linksextreme Täter wollten mit den Attacken den Bahnverkehr lahmlegen. Nach bisheriger Kenntnis zündeten aber nur zwei Brandsätze. Dadurch wurde der Zugverkehr beeinträchtigt, verletzt wurde niemand.

Bisher gibt es trotz eines Bekennerschreibens einer linksextremistischen Gruppe keine konkreten Hinweise auf die Täter und ihr Umfeld. Die Bahn droht mit einer Schadenersatzklage im großen Ausmaß. „Sollten die Täter ermittelt werden, strengen wir selbstverständlich Schadensersatzklagen an. Für diesen Fall gehe ich von einem Millionenbetrag aus“, sagte Gerd Becht, Vorstand Konzernsicherheit der Deutschen Bahn, der „Bild“-Zeitung.

SPD-Innenexperte Wiefelspütz sagte: „Bei aller berechtigten Empörung darf man den Verstand nicht ausschalten.“ Es gehe nicht darum, die gefährlichen Brandsätze zu verharmlosen. Ein Vergleich etwa mit der RAF verbiete sich aber. Diese habe „Krieg gegen die Spitzen des Staates geführt“.

Man solle einen Bürgerkrieg nicht an die Wand malen, sagte Berlins Innensenator Körting im Inforadio des RBB. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte gesagt, er sehe sich in seiner Sorge wegen eines „zunehmenden Linksextremismus leider bestätigt“. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) verurteilte die versuchten Brandstiftungen am Mittwoch als „verbrecherische terroristische Anschläge“.

Nach Ansicht des niedersächsischen Verfassungsschutzes wird die Szene immer militanter. „Wir beobachten seit einiger Zeit, dass die Gewaltbereitschaft in der linksextremen Szene deutlich wächst“, sagte der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sprach bei „Handelsblatt Online“ sogar von „beginnendem Linksterrorismus“.

Wegen des Verdachts der „verfassungsfeindlichen Sabotage“ hatte am Mittwoch die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Die Bahn hat 100 000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, mit denen die Täter der versuchten Brandanschläge ergriffen werden können.