Obama in Hiroshima: Erinnerung und Mahnung zugleich

Hiroshima (dpa) - Es ist eine historische Geste: Als erster US-Präsident besucht Barack Obama Hiroshima. Dort warf der US-Bomber „Enola Gay“ am Morgen des 6. August 1945 eine Atombombe mit dem harmlos klingenden Namen „Little Boy“ über dem Shima-Krankenhaus mitten im Zentrum Hiroshimas ab.

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Eine zweite Bombe traf drei Tage später Nagasaki. Es waren die ersten und bisher einzigen Nuklearwaffen-Angriffe der Kriegsgeschichte.

Was hat die Atombombe angerichtet?

Ein Inferno: Innerhalb von Sekunden macht eine gewaltige Druck- und Hitzewelle von mindestens 6000 Grad die Stadt zu einer lodernden Hölle und zerstörte sie zu etwa 80 Prozent.

Wieviele Menschen wurden getötet?

Zur Zeit des Bombenabwurfs hielten sich etwa 350 000 Menschen in Hiroshima auf, darunter Soldaten und Zwangsarbeiter aus Korea, Taiwan und Festlandchina sowie amerikanische Kriegsgefangene. Schätzungsweise starben mehr als 70 000 Menschen sofort, Ende 1945 waren es schon 140 000. In Nagasaki starben bis Ende 1945 etwa 70 000 Einwohner. Die genaue Opferzahl wird sich nie ermitteln lassen, weil viele erst an den Spätfolgen der Strahlung starben.

Wieviele Überlebende gibt es heute noch?

Ende März 2015 waren in ganz Japan und im Ausland etwa 188 000 Hibakusha registriert. So werden die Opfer des nuklearen Infernos genannt.

Wurden die Opfer entschädigt?

Die anerkannten Hibakusha bekommen einen Ausweis, mit dem sie kostenlose medizinische Behandlung erhalten. Zudem gibt es eine Entschädigungsrente für diejenigen, die nachweisen können, dass sie durch die Folgen des Atombombenabwurfs erkrankt sind. Im März 2015 waren das nur 8749, also nicht einmal fünf Prozent aller Überlebenden. Sie erhalten etwa 140 000 Yen im Monat (derzeit etwa 1100 Euro).

Wurde Hiroshima wieder aufgebaut?

Ja. Heute leben in der modernen Großstadt rund 1,2 Millionen Menschen. An den Atombombenabwurf erinnert eine Ruine des ehemaligen Gebäudes der Industrie- und Handelskammer. Der ausgebrannte Kuppelbau ist heute das Friedensdenkmal von Hiroshima. Auf der anderen Seite eines Flusses befindet sich der Friedensgedenkpark mit dem Friedensmuseum und einem Mahnmal für die Atombomben-Opfer. Dort legten Obama und der japanische Ministerpäsident Shinzo Abe am Freitag Kränze nieder.

Warum hat sich der US-Präsident nicht entschuldigt?

Aus europäischer Sicht mutet das eigentümlich an, ist aber aus US-Perspektive gut zu erklären. In der amerikanischen Öffentlichkeit besteht große Einigkeit darin, dass der Einsatz der Bombe im Krieg gegen Japan gerechtfertigt gewesen sei. Er wird von keiner Seite ernsthaft in Frage gestellt.

Was war Obamas Botschaft?

Er gedachte „aller Unschuldigen, die während dieses Krieges ums Leben gekommen sind“. Gleichzeitig richtete er aber den Blick nach vorne und wiederholte seine Vision einer Welt ohne Atombomben. Die hatte er 2009 zu Beginn seiner Amtszeit schon in einer Rede in Prag formuliert. Später bekam er unter anderem dafür den Friedensnobelpreis.

Was ist bisher aus seiner Vision geworden?

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri meint: „Daraus ist wirklich gar nichts geworden.“ Nuklearexperte Shannon Kile sieht stattdessen einen „Triumph des nuklearen Status quo“ in den Vereinigten Staaten. „Die meisten Analysten sind - um es vorsichtig auszudrücken - enttäuscht von dem fehlenden Fortschritt“, sagt Kile. Das gelte auch für Forscher, die Obama nahestehen.

Warum sind die Experten enttäuscht von Obama?

Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe ist zwischen dem Beginn von Obamas Amtszeit 2009 und 2015 weltweit zwar von 23 300 auf 15 850 gesunken - zu Zeiten des Kalten Krieges waren es noch rund 70 000. Gleichzeitig investieren die USA aber massiv in die Modernisierung von Atomwaffen. In den nächsten zehn Jahren werde die US-Regierung 348 Milliarden US-Dollar (etwa 311 Milliarden Euro) in ihre nukleare Schlagkraft stecken, sagt Kile. „Das ist für uns ein großer Schritt zurück.“