Obama setzt innenpolitische Schwerpunkte
Washington (dpa) - Nach Jahren der Krise und der Kriege will Präsident Barack Obama die USA wirtschaftlich wieder an die Spitze bringen. Ein starker Staat mit gezielten Investitionen in Bildung, Infrastruktur und erneuerbare Energien sei dafür unerlässlich.
Das sagte Obama am Dienstag (Ortszeit) in seinem Bericht zur Lage der Nation im Kongress. Der Defizitabbau dagegen habe keine Priorität mehr. „Weniger Schulden alleine sind kein volkswirtschaftlicher Plan.“
Vor allem der Mittelschicht und den Ärmeren müsse es wieder bessergehen. „Es ist unsere unvollendete Aufgabe, sicherzustellen, dass diese Regierung für viele arbeitet und nicht nur für wenige.“ Im vergangenen Jahrzehnt seien die Einkommen der Bürger gesunken, während Profite von Konzernen auf ein Allzeithoch gestiegen seien.
Obamas erste „State of the Union“ seit seiner Wiederwahl drehte sich vor allem um soziale Fragen. Er forderte höhere Mindestlöhne und eine gerechte Steuerreform. Helfen solle der Wirtschaft auch eine umfassende „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ mit der Europäischen Union. „Denn Handel, der frei und fair über den Atlantik verläuft, unterstützt Millionen gut bezahlter amerikanischer Arbeitsplätze“, sagte er. Bereits Anfang Februar hatte Vizepräsident Joe Biden sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz optimistisch über ein europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen geäußert.
Auch die öffentliche Infrastruktur sei mehr als reparaturbedürftig. „Der Vorstandsvorsitzende von Siemens America - ein Unternehmen, das Hunderte neue Arbeitsplätze in North Carolina geschaffen hat - hat mir gesagt, dass sie noch mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn wir unsere Infrastruktur verbessern.“
Der aufstrebende republikanische Senator Marco Rubio kritisierte Obamas Ansatz und unterstrich die Ansicht der Republikaner, dass nur eine freie Marktwirtschaft die Quelle für Wohlstand sei. „Aber Präsident Obama? Er glaubt, sie ist der Grund für unsere Probleme“, meinte der 41-Jährige, der als nächster Präsidentschaftskandidat gehandelt wird. Steuererhöhungen und auf Pump finanzierte Ausgaben, die Obama vorschlage, schadeten den Familien in der Mittelschicht.
Mit Blick auf die Außenpolitik sagte Obama unter lautem Applaus, die USA würden ihre Truppenstärke in Afghanistan innerhalb eines Jahres um 34 000 Soldaten halbieren. „Und bis zum Ende des kommenden Jahres wird unser Krieg in Afghanistan vorbei sein.“ Danach wandele sich der Einsatz zu einer Ausbildungs- und Ausrüstungsmission. Der Anti-Terror-Kampf, der sich von der arabischen Halbinsel nach Afrika verlagere, müsse künftig nicht mehr mit Zehntausenden US-Soldaten in Übersee geführt werden. „Stattdessen helfen wir Ländern wie dem Jemen, Libyen und Somalia dabei, ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten.“
Den nordkoreanischen Atomtest am Dienstag kritisierte er erneut. „Provokationen“ wie diese würden das Land nur weiter isolieren. Den Iran würden die USA mit allen Mitteln daran hindern, in Besitz einer Atomwaffe zu gelangen. Mit Russland wolle die US-Regierung über einen weiteren Abbau des Nuklearwaffenarsenals verhandeln. Details nannte er nicht.
Mit einer Verordnung zum Datenaustausch zwischen der Regierung und Privatunternehmen will Obama die US-Regierung gegen Hackerangriffe im Internet verstärken. Die Regierung solle mehr Möglichkeiten bekommen, Netzwerke zu sichern und Attacken abzuwehren.
In der Klimapolitik laute sein neues Ziel, binnen der kommenden 20 Jahre die Energieverschwendung der US-Haushalte und Unternehmen zu halbieren, sagte Obama. Er werde sein Kabinett auffordern, Lösungen zu finden, mit denen die Umweltverschmutzung verringert werden und der Übergang zu nachhaltigen Energiequellen schneller gelingen könne. „Wir können glauben, dass der Supersturm "Sandy", die härtesten Dürren seit Jahrzehnten und die schlimmsten Großflächenbrände, die einige Staaten je erlebt haben, alle ein seltsamer Zufall sind. Oder wir können an das überwältigende Urteil der Wissenschaft glauben - und handeln, bevor es zu spät ist.“
In seinem Plädoyer für Reformen im Bildungswesen lobte Obama ausdrücklich das deutsche Schulsystem und dessen Ausrichtung auf das Berufsleben. „Die deutschen Kinder sind auf einen Arbeitsplatz vorbereitet, wenn sie die Oberstufe abschließen“, sagte er. Er forderte, dass US-Schulen verstärkt kombinierte Abschlüsse anbieten sollten. Diese könnten beispielsweise aus einem allgemeinen und einem Abschluss in Informatik oder Ingenieurswissenschaften bestehen.
Sehr viel Applaus auch von Republikanern erhielt der Präsident, als er zwei Monate nach dem Schulmassaker von Newtown mit 20 toten Kindern im Hinblick auf die Waffengesetze „Maßnahmen des gesunden Menschenverstands“ forderte. Überprüfungen des Hintergrunds von Waffenkäufern sollten es Kriminellen schwerer machen, Waffen zu kaufen, bekräftigte er.