Ökonomen: Pleite-Gefahr nach Hilfspaket nicht gebannt
Frankfurt/Main (dpa) - Nach monatelangen Verhandlungen haben die Euro-Finanzminister das zweite Griechenland-Paket geschnürt. Milliardenkredite und ein Schuldenverzicht privater Gläubiger sollen den Staatsbankrott vermeiden.
Deutsche Ökonomen begrüßten die Beschlüsse der Eurogruppe am Dienstag zwar, bleiben aber skeptisch. Die Finanzinstitute warnen vor weiteren Schuldenschnitten. Bei der freiwilligen Beteiligung privater Gläubiger sei die höchstmögliche Grenze erreicht, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Heinrich Haasis. Nun müsse Griechenland alles unternehmen, damit sich alle privaten Gläubiger beteiligten.
Volkswirte teilten am Dienstag die Euphorie der Politik nicht. Experten vom Bankhaus Metzler zweifelten am nachhaltigen Erfolg der Entscheidungen: „Unseres Erachtens ist nichts wirklich Ermutigendes geschafft - die grundlegenden Schwierigkeiten bleiben erhalten.“
Auch nach Einschätzung der Berenberg Bank ist das Risiko einer Pleite nicht gebannt. „Unserer Meinung nach bleibt die Gefahr hoch, dass sich Griechenland in die wirtschaftliche Depression spart, in die Insolvenz schlittert und aus der gemeinsamen Währung austreten muss“, schreibt Volkswirt Christian Schulz in einer Analyse.
Nach Überzeugung der Commerzbank reichen die Beschlüsse der Euro-Finanzminister nicht aus, um Griechenland wieder in die Spur zu bringen. Ohne tiefgreifende Reformen werde Athen seine Schulden nicht tragen können, erklärte Chefvolkswirt Jörg Krämer in einer Analyse. „In der zweiten Jahreshälfte ist die Wahrscheinlichkeit beträchtlich, dass eine frustrierte Staatengemeinschaft Griechenland den Geldhahn zudreht.“
Der Bankenexperte Wolfgang Gerke sieht die Rettungsaktion als falschen Weg. Die Politiker wollten aus Angst um die internationalen Geldinstitute mit allen Mitteln verhindern, dass Griechenland den Euro aufgibt. „Ich fürchte aber, dass der Schritt doch noch kommt“, sagte der Präsident des bayerischen Finanzzentrums der Nachrichtenagentur dpa.
Erstmals sollen sich auch Banken, Versicherungen und Fonds an der Rettung Athens beteiligen. Sie sollen auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Das bedeutet für Athen laut internationalem Bankenverband IIF eine Entlastung um 107 Milliarden Euro.
De facto müssten die private Gläubiger 75 Prozent ihrer Forderungen gegenüber Griechenland abschreiben, rechnete Ernst & Young-Bankenexperte Dirk Müller-Tronnier vor: Zum Schuldenschnitt von 53,5 Prozent komme der Tausch der restlichen Papiere zu deutlich schlechteren Bedingungen (lange Laufzeiten, niedrige Zinsen) hinzu. „Eigentlich darf das keinen mehr erschrecken, die Marktpreise haben sich bereits in diese Richtung entwickelt“, sagte Müller-Tronnier der dpa.
Bei den 10 bis 15 führenden Banken in Deutschland befürchtet Müller-Tronnier wegen des Schuldenschnitts keine bösen Überraschungen. Einigen kleinen und mittleren Instituten dürfte es allerdings „stärker an die Substanz“ gehen als befürchtet. „Da ist nicht mehr viel Luft nach oben, jetzt darf nicht mehr viel passieren“, warnte der Bankenexperte. Eine Alternative zu einer Beteiligung der privaten Gläubiger an der Griechenland-Rettung sehe er jedoch nicht: Hätte die Europäische Zentralbank (EZB) massiver eingegriffen, „wäre das erst Recht unser aller Geld“.
Auch der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) erklärte, die Banken hätten ausreichende Risikovorsorge getroffen, um die Belastungen zu schultern. VÖB-Hauptgeschäftsführer Hans Reckers betonte aber: „Mit Blick auf das Vertrauen der Investoren in Staatsanleihen muss die vorgesehene Griechenlandhilfe allerdings ein Einzelfall bleiben.“ Nun müsse Griechenland die zugesagten Reform- und Sanierungsschritte ohne Wenn und Aber umsetzen.
Aus Sicht des Bankenverbandes leisten die privaten Banken einen enormen Beitrag für Griechenland. Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer sagte: „Der Schuldenschnitt ist erheblich und die Zinsen für die neuen Anleihen sind über viele Jahre hinweg sehr niedrig. Das muss jede Bank für sich erst einmal verkraften.“ Allerdings hätten sich die Institute bereits auf die Umschuldung eingestellt und einen Teil der Abschreibungen vorweggenommen.