Oppermann: „Verfassungsschutz muss weg vom Schlapphut-Image“
Berlin (dpa) - Nach dem Rücktritt von Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm und der umstrittenen Vernichtung von Akten fordert die SPD Reformen und einen Mentalitätswandel beim Inlands-Geheimdienst.
Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann plädiert im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur auch für mehr Personal für die parlamentarische Kontrolle der Verfassungsschutzarbeit.
Herr Oppermann, welche Lehren muss man aus den jüngsten Vorkommnissen beim Bundesamt für Verfassungsschutz ziehen?
Oppermann: „Durch die Vorgänge beim Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den Nazimorden ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verloren gegangen. Ein Verfassungsschutz kann aber nur dann erfolgreich arbeiten, wenn er dieses Vertrauen besitzt. Wir brauchen deshalb eine grundlegende Reform.“
Wie könnte diese Reform aussehen?
Oppermann: „Der Verfassungsschutz muss weg vom Schlapphut-Image. Wir brauchen bei den Behörden einen umfassenden Mentalitätswechsel. Verfassungsschützer müssen nicht in erster Linie Geheimdienstler sein, sondern geschulte Demokraten, mit einem richtigen Gespür für die Gefahren, die unserer Demokratie drohen.“
Ist der Rechtsextremismus ausreichend bekämpft worden?
Oppermann: „Offensichtlich nicht. Die NSU hätte nie so lange unerkannt bleiben dürfen. Es war ein schwerer Fehler, die eigenständige Abteilung Rechtsextremismus beim Bundesverfassungsschutz aufzulösen. Das ist eines der vielen Indizien für die systematische politische Unterschätzung des Rechtsextremismus. Zum Glück ist dies nach Bekanntwerden der Mordtaten der Zwickauer Terrorzelle rückgängig gemacht worden.“
Wird denn die NPD nun ausreichend kontrolliert?
Oppermann: „Der Verfassungsschutz sammelt sehr viele Informationen, aber es gibt zum Beispiel kein Straftatenkataster für NPD-Funktionäre. Dabei wäre die Häufung von Straftaten bei herausgehobenen NPD-Akteuren ein wichtiges Indiz für die Frage, wie gewalttätig und wie aggressiv kämpferisch die NPD unsere demokratische Grundordnung bekämpft.“
Sehen Sie auch bei der parlamentarischen Kontrolle Nachholbedarf?
Oppermann: „Ja. Diese muss ebenfalls verbessert werden. Die Voraussetzungen dafür haben wir schon in der letzten Legislaturperiode mit der Reform des Gesetzes zur Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) geschaffen. Das PKGr könnte aber noch professioneller arbeiten. Das zeigt etwa der Vergleich mit den USA: Die beiden Kontrollausschüsse in Senat und Repräsentantenhaus haben jeweils rund 60 Mitarbeiter. Ich habe deshalb darauf hingewirkt, dass wir mit der Einstellung von Referenten, die dem Gremium zur Hand gehen, beginnen. Der Bundestag muss die Möglichkeit haben, die Nachrichtendienste systematisch auf Schwächen abzuklopfen. Das ist in der Vergangenheit nicht mit der notwendigen Intensität geschehen.“