Parteichefs müssen Gesundheitsstreit lösen
Berlin (dpa) - Mehr Landärzte, Klinik-Suche per Mausklick, mehr Pflege - trotz vieler Einigungen im Gesundheitsbereich liegen Union und SPD bei der zentralen Frage der Finanzierung weit auseinander.
Die SPD fordert in den Koalitionsverhandlungen einen höheren Beitrag der Wirtschaft durch eine Rückkehr zur jeweils hälftigen Finanzierung der Krankenkassen durch die Versicherten- und Arbeitgeberseite. „Das gefährdet ohne Zweifel Arbeitsplätze“, warnte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn am Dienstag in Berlin.
SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach entgegnete in der ARD: „Es kann nicht sein, dass in Deutschland die steigenden Gesundheitskosten allein von den Arbeitnehmern bezahlt werden.“ Nach dem Abschluss ihrer Fachverhandlungen legten die Unterhändler die Streitfragen den Parteichefs vor. Die große Runde befasst sich am Donnerstag damit.
Während die Union am aktuellen System festhalten will, fordert die SPD eine weitreichende Umstellung. „Dazu werden Zusatz- und Sonderbeitrag abgeschafft“, heißt es zur SPD-Position in dem vorläufigen Ergebnispapier der zuständigen Arbeitsgruppe, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Heute gilt ein gesetzlich festgelegter Beitragssatz von 15,5 Prozent, der fix bleiben soll. Ein 0,9-prozentiger Sonderbeitrag für die Arbeitnehmer ist enthalten. Deshalb müssen sie 8,2 Prozent auf ihr Einkommen zahlen, die Arbeitgeber nur 7,3 Prozent. Kassen können Zusatzbeiträge pauschal als Eurobetrag von ihren Mitgliedern erheben. Künftige Kostensteigerungen schultern allein die Versicherten über Zusatzbeiträge - und die Steuerzahler über einen Sozialausgleich.
Die SPD sieht eine für die Kassen großzügigere Finanzierung vor. Der Gesetzgeber soll den wieder voll paritätischen Beitragssatz jedes Jahr neu bestimmen. Das Geld soll die Ausgaben im Schnitt voll abdecken. Es soll weiter in den Gesundheitsfonds fließen, so dass die Kassen weiter Zuweisungen je nach Krankheits- und Einkommensstruktur ihrer Versicherten erhalten. Aber die einzelnen Kassen sollen den Beitragssatz über- oder unterschreiten können, je nach ihrem jeweiligen Bedarf. Zusätzlich eingenommenes Geld müssten sie nicht an den Fonds weiterleiten. Da es prozentual erhoben würde, wäre der Sozialausgleich überflüssig.
Die CSU würde dem Vernehmen nach diesen Weg im Prinzip mitgehen, die CDU will auf jeden Fall an pauschalen Zusatzbeiträgen festhalten. Die Union sieht Mehrbelastungen der Wirtschaft darüber hinaus aber als Hauptstreitpunkt. Für die CSU ist laut dem Papier zudem wichtig, dass der Finanzausgleich zwischen den Kassen durch eine regionale Komponente ergänzt wird. Hintergrund ist die Sorge, dass dem bayerischen Gesundheitssystem zu viel Geld entzogen wird.
In der Pflege fordert die Union einen Vorsorgefonds: Eine Milliarde Euro pro Jahr soll in eine bei der Bundesbank verwaltete Rücklage fließen - für die Jahre 2035 bis 2055, wenn die Babyboomer ins Pflegealter kommen. Die SPD lehnt das ab. Die Union will den Pflegebeitrag um bis zu 0,5 Punkte erhöhen, davon 0,1 Punkt für den Fonds. Die SPD will das Geld aus der Erhöhung voll in die Pflege heute stecken. Heute sind es 2,05 Prozent (Kinderlose: 2,3 Prozent).
In der Pflege wollen beide Seiten Demenzkranke nach jahrelangen Vorbereitungen komplett in die Pflegeversicherung aufnehmen, bestehende Betreuungsleistungen aber schon vorher auf sie ausdehnen.
Im Kampf gegen Volkskrankheiten soll 2014 ein Präventionsgesetz kommen. Die Kassen müssen ihre Ausgaben dafür von derzeit faktisch 3,41 Euro vom 1. Januar 2015 an auf mindestens sieben Euro je Versicherten erhöhen. Der Wert soll sich um einen Euro jedes Jahr bis auf zehn Euro erhöhen. Die Kassen zeigen sich alarmiert: Diese Mehrausgaben müssten gesamtgesellschaftlich finanziert werden.
Eine Großreform bei den Kliniken soll bis Ende 2014 ausgearbeitet sein. Ein neues Institut soll eine online einsehbare Vergleichsliste der Kliniken je nach Qualität erstellen. Auf dem Land soll es mehr Ärzte geben.