Porträt: Bloggender Rebell piesackt Russlands Machtelite
Moskau (dpa) - Als einer der auffälligsten Anführer der Opposition hat der prominente russische Internet-Blogger Alexej Nawalny auch Kremlchef Wladimir Putin den Kampf angesagt.
Der 37-Jährige, der Putin ein System von Korruption und Vetternwirtschaft vorwirft, hat sich nicht nur einmal für die nächste Präsidentenwahl 2018 selbst ins Spiel gebracht.
Mit den fünf Jahren Straflagerhaft, die ein Gericht in der Stadt Kirow in einem undurchsichtigen Veruntreuungsprozess nun verhängte, ist der Kremlgegner jetzt aber kaltgestellt.
Sein Wahlkampf um das Bürgermeisteramt in Moskau am 8. September sollte ein wichtiger Praxistest für den Anwalt werden. Zwar hat der Enthüller von Skandalen im Internet in seinen Blogs Hunderttausende Anhänger, aber bisher keine organisierte Bewegung hinter sich. Mit der Kandidatur ist es nun vorbei.
Aufgeben will er deshalb aber nicht. „Langweilt Euch nicht ohne mich. Aber das Wichtigste ist: Bleibt nicht tatenlos“, twitterte er, bevor er abgeführt wurde. Seine Frau Julia im Gerichtssaal sah müde aus - sie muss Tochter und Sohn nun allein großziehen im Moskauer Gebiet, wo auch Nawalny am 4. Juni 1976 geboren wurde.
Von dort aus hatte er zunächst jahrelang im Verborgenen agiert. Mit scharfen Attacken auf den Seiten navalny.ru und rospil.info im Stil der Enthüllungsplattform Wikileaks deckte er Skandale auf. Nawalnys Spezialität sind undurchsichtige staatliche Ausschreibungen, bei denen Millionenbeträge oft in dunklen Kanälen versickern.
Er hinterfragt auch, wohin Gewinne aus dem russischen Gas- und Ölgeschäft fließen. Woher er die oft internen Dokumente über Machenschaften großer Staatskonzerne wie Gazprom und Transneft bekommt, verrät er nicht. Informantenschutz! Seine Mitstreiter finanzieren sich nach eigenen Angaben aus Spenden.
Nach den von Fälschungsvorwürfen überschatteten russischen Wahlen gehörte er seit 2011 zu denen, die Massen mobilisieren konnten. Auf der Straße gelangte auch sein Slogan von der Kremlpartei Geeintes Russland als „Partei der Gauner und Diebe“ schnell zu großem Erfolg. Es folgten erste Arreststrafen von bis zu 15 Tagen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International führte ihn deshalb sogar als „politischen Gefangenen“ wie den Putin-Kritiker und Ex-Ölmanager Michail Chodorkowski.
Doch die Demonstrationsreden des großen blonden Charismatikers, der eine Zeit lang in den USA lebte, stießen stets auf ein geteiltes Echo. Staatsmedien ätzten zudem, der Mann sei viel zu schön und perfekt - wie aus einem Hollywood-Film. Er müsse wohl von US-Geheimdiensten eingeschleust sein, um Russland zu erobern, warnten kremltreue Journalisten.
Politologen bescheinigen Nawalny zwar großes Talent, aber auch Selbstüberschätzung - und sehen zugleich noch Entwicklungspotenzial. Politisch gilt er als überzeugter Patriot - zum Ärger mancher seiner Anhänger auch als Ultranationalist. Seine Gegner sitzen unter anderem beim gefürchteten Geheimdienst FSB, im Kreml, bei Polizei und Justiz und in der mitunter skrupellosen Geschäftswelt.
Menschenrechtler befürchteten seit langem, dass dem Idealisten ein Racheakt drohen könnte - wie vielen Regierungskritikern, von denen einige ihre Arbeit mit dem Leben bezahlten. „Es ist aber besser, aufrecht zu sterben, als ein Leben lang auf Knien zu rutschen“, sagte Nawalny einmal.