Fragen und Antworten Probleme bei der Zurückweisung von Migranten

Berlin (dpa) - Nach dem Willen der CSU sollen Migranten, die bereits anderswo in der EU als Asylbewerber registriert sind, künftig an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Fragen und Antworten dazu:

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Könnte die Bundespolizei die deutsche Grenze dicht machen?

Nicht ganz dicht, aber deutlich dichter. Deutschland hat eine 3700 Kilometer lange Landgrenze, allein zu Österreich sind es gut 800 Kilometer mit Dutzenden Übergängen. Das erschwert lückenlose Einreisekontrollen enorm. Doch könnte die zurzeit überwiegend stichprobenartige Grenzüberwachung merklich verschärft werden, wie es zuletzt etwa vor dem G20-Gipfel in Hamburg angeordnet wurde. Damals waren vom 12. Juni bis zur ersten Juliwoche 2017 durchschnittlich 3500 Bundespolizisten täglich bei Grenzkontrollen im Einsatz. Die Bilanz: Es wurden 917 Menschen zurückgewiesen und 744 per Haftbefehl gesuchte Straftäter festgenommen.

Wie läuft der Grenzschutz zurzeit?

Echte, dauerhafte Grenzkontrollen gibt es nur an der bayerisch-österreichischen Grenze. Und auch da nur an drei Autobahnübergängen - von insgesamt mehr als 65 Straßen-Grenzübergängen. Im übrigen Bundesgebiet findet nur eine sogenannte Grenzüberwachung statt, die eher stichprobenartig abläuft. Dies ist eine praktische Folge der im Schengen-Abkommen verankerten Freizügigkeit für alle EU-Bürger.

Was passiert in Bayern?

An den drei Kontrollpunkten sorgen seit Mitte Dezember drei Einsatzzüge der Bereitschaftspolizei des Landes für einen 24-Stunden-Betrieb. Vor allem auf der A8 gibt es bei der Einreise deswegen quasi täglich Staus. Es dauert, bis man auf der zu einer Spur verengten Autobahn den Kontrollposten bei Bad Reichenhall passieren kann. Rausgewunken werden Fahrzeuge, die den Verdacht der Polizisten erregen. Wer will, kommt aber leicht drumherum: Bei Staus an den drei Kontrollstellen gibt es sogar Ausweichempfehlungen im Radio. Die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht auch deswegen den Personalaufwand im „krassen Missverhältnis zum Erfolg“.

Wie ist die offizielle Bilanz?

2017 wurden an bayerischen Kontrollstellen und im Grenzgebiet rund 2000 mutmaßliche Straftäter festgenommen. Die Polizei schnappte auch 286 Schleuser, die rund 750 Menschen illegal nach Deutschland bringen wollten. Übers Jahr wurden rund 14 600 Menschen erwischt, die illegal einzureisen versuchten, gut 7200 von ihnen wurden zurückgewiesen. In den ersten vier Monaten 2018 gab es knapp 3800 unerlaubte Einreisen und knapp 2100 Zurückweisungen.

Könnten sich die Staus verschlimmern, wenn mehr Migranten abgewiesen werden?

Schwer zu sagen, denn das hängt auch vom Einsatzkonzept der Bundespolizei ab. Wenn wie von Experten erwartet intensiver kontrolliert würde, dürften sich die Wartezeiten erhöhen.

Wie groß ist das Problem illegaler Migration nach Deutschland?

Immer noch recht groß, auch wenn der Zuzug gesunken ist. Im Krisenjahr 2015 waren rund 890 000 Migranten weitgehend unkontrolliert eingereist. 2016 sank diese Zahl neuer Asylsuchender auf etwa 280 000, im vergangenen Jahr waren es rund 187 000.

In Grenznähe aufgegriffen hat die Bundespolizei 2017 rund 50 000 Menschen, die unerlaubt einzureisen versuchten - 16 000 davon an bayerischen Außengrenzen. Weil aber die Zahl neuer Asylanträge deutlich höher liegt, ist klar: Unbemerkt kam ein Vielfaches an Menschen ins Land. Und laut bayerischem Innenministerium gibt es Hinweise, dass wieder mehr Menschen versuchen, über die Balkanroute nach Deutschland zu gelangen.

Wäre es legal, in anderen EU-Staaten registrierte Asylbewerber zurückzuweisen?

Das ist umstritten. Organisationen wie Pro Asyl verweisen etwa darauf, dass nach Europarecht Antragsteller unter anderem dann nicht zurückgewiesen werden dürfen, wenn sie Familienangehörige in Deutschland haben oder minderjährig sind. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte die Rechtslage 2015 so beschrieben, dass Flüchtlinge eigentlich nach der Dublin-Verordnung in dem EU-Land Asyl beantragen sollen, das sie zuerst erreichen. Deshalb werde unter Experten auch die Position vertreten, die Bundespolizei könne schon registrierte Flüchtlinge zurückschicken.

Was wären die Konsequenzen, wenn der CSU-Plan Realität wird?

Würde die CSU-Forderung umgesetzt, wäre ein umstrittener mündlicher Erlass des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) von 2015 immer noch nicht aufgehoben. De Maizière hatte die Bundespolizei damals mit Rückendeckung aus dem Kanzleramt angewiesen, jedem, der an der Grenze um Asyl bittet, die Einreise zu gestatten. Würde künftig jeder abgewiesen, bei dem es im europäischen Fingerabdruck-Identifizierungssystem (Eurodac) einen Treffer gibt, dürfte jedoch etwa jeder fünfte Schutzsuchende nicht mehr einreisen. Doch warnt etwa Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) davor, dass andere EU-Staaten dann womöglich tricksen: „Es lässt sich unschwer ausmalen, dass andere Länder auf eine solche Maßnahme regieren werden, indem sie die Flüchtlinge schlicht nicht mehr registrieren.“

Hat die Bundespolizei für strengere Kontrollen genug Personal?

Nein, sagt zumindest die Gewerkschaft der Polizei. „Nur eine Polizei, die auch präsent ist, kann beim Grenzschutz etwas ausrichten“, betont Vizechef Jörg Radek im dpa-Interview. Eine GdP-Analyse habe ergeben, dass mindestens 4300 neue Stellen vonnöten seien, um in ganz Deutschland den Grenzschutz auf Dauer so aufzustellen, wie er vor dem EU-Betritt Polens an der deutschen Ostgrenze organisiert war. In Bayern kommt man auch ans Limit. Allein die bayerischen Beamten der Bundespolizei schieben momentan einen Rekordstand von 2,2 Millionen Überstunden vor sich her.