Protestwelle in Bulgarien rollt weiter

Sofia (dpa) - Zehntausende Bulgaren haben bei Großkundgebungen höhere Einkommen und ein neues Wahlgesetz gefordert. „Wir sind Zeugen einer neuen Farce, die sie Wahlen nennen“, sagte der Koordinator Dontscho Dudew am Sonntag in Sofia.

Die Demonstranten kritisieren insbesondere, dass die für den 12. Mai angekündigten Neuwahlen nach dem alten Wahlgesetz organisiert werden sollen.

Sie blockierten Kreuzungen und Fernstraßen und tanzten auf den autofreien Fahrbahnen. Viele Menschen kamen mit Blumen, sie feierten am Sonntag zugleich den 135. Jahrestag der Befreiung des heutigen Bulgarien von den Türken.

Staatspräsident Rossen Plewneliew rief seinerseits zur „Wahrung des demokratischen Rechtsstaats“ auf. „Wir müssen ein würdiges Mitglied der atlantischen und der europäischen Familie sein“, sagte er am Sonntagabend bei einem Staatsakt zum nationalen Feiertag des Balkanlandesim im Zentrum von Sofia.

Die Proteste richten sich gegen die Übermacht ausländischer Anbieter im Banken- und Energiesektor sowie im Einzelhandel. Gerade nationalistische Demonstranten werfen den Unternehmen eine Monopolstellung vor, und stellen Bulgariens derzeitige politische und marktwirtschaftliche Ordnung infrage.

Die Teilnehmer an den Aktionen in Sofia, Plowdiw, Warna und vielen anderen Städten forderten auch höhere Einkommen. Nur so könnten die Bulgaren in ihrer Heimat bleiben und müssten nicht auswandern, um besser bezahlt zu werden. Massive Proteste gegen hohe Strompreise hatten vor zehn Tagen zum Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissow geführt. Jetzt wird Staatschef Plewneliew eine Interimsregierung einsetzen, die das EU-Land bis zur Bildung eines regulären Kabinetts regieren soll.

Die Demonstranten forderten zudem ein neues Wahlgesetz mit Bürgerbeteiligung für faire Wahlen und drohten mit der Besetzung des Parlaments. Die Volksvertretung dürfe nicht aufgelöst werden, bis sie die neuen Regeln verabschiedet habe. Das jetzige Wahlgesetz lässt Kandidaten von Bürgerorganisationen nur dann zu, wenn sie auf den Listen politischer Parteien stehen, ohne selbst Parteimitglieder zu sein.