Analyse Prozess um Kinderporno-Plattform gestartet

Limburg (dpa) - „Elysium“ - ein Wort, das für Paradies oder vollkommenes Glück steht. Im Fall der riesigen Kinderporno-Plattform „Elysium“ verbirgt sich dahinter schwerster sexueller Missbrauch von Jungen und Mädchen, gezeigt auf Hunderten Videos und Fotos.

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Die Plattform wurde vor rund einem Jahr abgeschaltet, nun steht die mutmaßliche Führungsriege vor dem Landgericht Limburg. Die vier Männer aus verschiedenen Teilen Deutschlands sollen „Elysium“ für Zehntausende Pädophile weltweit im Darknet, dem verborgenen Teil des Internets, betrieben oder sich am Betrieb beteiligt haben.

Am ersten Tag der von zahlreichen Journalisten verfolgten Verhandlung kündigen die Angeklagten selbst oder über ihre Verteidiger Aussagen an - teils stellen sie auch Geständnisse in Aussicht. „Wenn es etwas zu gestehen gibt“, sagt der Vorsitzende Richter, dann wäre das Verfahren der geeignete Zeitpunkt dafür. Der Prozess soll bis mindestens November laufen.

Die Angeklagten im Alter zwischen 40 und 62 Jahren aus Hessen, Baden-Württemberg und Bayern sind unter anderem wegen der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornografischer Schriften angeklagt. Der Älteste muss sich zudem wegen schweren Kindesmissbrauchs verantworten.

Mit Pausen braucht die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt drei Stunden, um die dicke Anklageschrift vorzulesen. Demnach waren die vier Deutschen zunächst auf einer anderen Kinderporno-Plattform aktiv und lernten sich dort kennen. Doch das im Ausland betriebene Forum flog auf. Kurz darauf, im November 2016, soll „Elysium“ quasi als Nachfolger online gegangen sein. Schon bald hatten Spezialfahnder die Plattform im Visier, das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft schalteten sie im Juni 2017 ab. Die Ermittler stießen dabei auf mehr als 111.000 Nutzerkonten weltweit.

Die „Elysium“-Administratoren waren der Anklage zufolge zwei der Angeklagten, ein 58-Jähriger aus dem Kreis Tübingen in Baden-Württemberg sowie ein 40-Jähriger aus dem Kreis Limburg-Weilburg in Hessen. Der Ältere soll die Software geschrieben und eingerichtet, der Jüngere die Computeranlage in seinem Unternehmen platziert haben. Die Anklage wirft zudem einem 47-Jährigen aus dem Main-Tauber-Kreis (Baden-Württemberg) sowie einem 62-Jährigen aus Landsberg/Lech in Bayern vor, bei „Elysium“ die Chats betreut zu haben. Die Angeklagten sollen zudem Kinderpornos ins Netz gestellt haben.

Der 62-Jährige ist außerdem angeklagt, die vier und sechs Jahre alten Kinder eines „Elysium“-Mitglieds aus Österreich mehrfach sexuell missbraucht und davon Aufnahmen gemacht zu haben.

Die Männer verfolgen die Verlesung der Anklage äußerlich reglos. Es sind unscheinbare Typen, einer mit Bauch und Halbglatze, einer mit dünnem Haar, der Älteste mit weißem Zopf. Erkannt werden wollen die Männer nicht: So wie sie sich im Darknet mutmaßlich hinter Spitznamen wie „Skorpion“ und „Panda“ versteckten, so verbergen sie ihre Gesichter vor den Objektiven der Kameraleute hinter Aktenordnern.

Den Prozess macht nicht nur besonders, dass es um die mutmaßlichen Chefs einer Kinderporno-Plattform geht, sondern auch, dass diese in Deutschland online ging: „Bis dahin saßen die Betreiber meist im Ausland“, erklärt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Georg Ungefuk, vor Beginn der Verhandlung.

Die meisten Dateien, die bei „Elysium“ veröffentlicht und getauscht wurden, waren demnach schon älter. Einige Aufnahmen kursierten bereits seit Jahren in der Szene. Da diese aus aller Welt stammten, sei unklar, ob alle Opfer und Täter identifiziert worden seien, sagt Ungefuk. Auf „Elysium“ sei aber auch neues kinderpornografisches Material aufgetaucht. Darunter sollen auch Aufnahmen des 62-Jährigen gewesen sein.

Die Folgen für die Opfer sind schwer einzuschätzen: „Was wir wissen ist, dass sexueller Missbrauch grundsätzlich ein Risikofaktor für die psychische und körperliche Gesundheit ist“, erklärt Christina Schwenck, die an der Uni Gießen Professorin für förderpädagogische und klinische Kinder- und Jugendpsychologie ist. Übergriffe könnten auch einen negativen Einfluss auf den sozioökonomischen Status haben, also beispielsweise auf den Bildungsweg. Wie ein Kind auf die Übergriffe reagiert, hänge immer auch vom Einzelfall ab, von der Art der Tat, der psychischen Widerstandsfähigkeit oder der Stabilität im familiären und sozialen Umfeld.

Kinder können Schwenck zufolge kurzfristige Auffälligkeiten zeigen und etwa mit Rückzug, Angst oder Aggression reagieren. „Möglich ist aber auch, dass die Folgen erst nach geraumer Zeit und Jahre nach einem Übergriff auftreten“, sagt Schwenck. Den Opfern helfe, Gesprächsangebote zu machen und zu vermitteln, dass sie keine Schuld tragen. Wichtig sei auch, ihnen eine zuverlässige und klare Alltagsstruktur zu geben und wenn nötig eine Therapie zu ermöglichen. Und natürlich: Sicherheit bieten, dafür sorgen, dass Täter keinen Zugriff mehr haben.