Psychologe: Protest könnte zu Wertewandel führen
Hamburg (dpa) - Die Protestbewegung gegen Auswüchse auf dem Finanzmarkt könnte nach Ansicht des Wirtschaftspsychologen Erich H. Witte zu einem anti-materiellen Zeitgeist führen.
„Es könnte darauf hinauslaufen, dass der Finanzmarkt nicht mehr eine so hehre Größe ist und auch Geld nicht mehr eine so bedeutende Rolle spielt“, sagte der Hamburger Psychologie-Professor der Nachrichtenagentur dpa. „Dann sind wir bei anderen Werten angekommen, nach denen eine Gesellschaft leben will.“
Nach dem Vorbild der amerikanischen Protestbewegung „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street“) wollen heute Menschen weltweit und auch in zahlreichen deutschen Städten auf die Straße gehen. Sie demonstrieren gegen das Finanzsystem und eine soziale Schieflage in der Gesellschaft.
Bisher seien die komplizierten Finanzprodukte vielen Menschen schlicht gleichgültig gewesen, erklärte Witte. Durch die langandauernde Finanzkrise hätten sie nun aber anscheinend eine negative Einstellung dazu bekommen. „Jetzt scheint das bei Finanzmarktprodukten zu passieren, was es bei Steuern längst gibt: Alle sind gegen Steuern.“
Wer mit Geld Geld verdiente, habe lange als „Cleverle“ gegolten, und der Finanzsektor „mit all den Yuppies und Großverdienern“ sei lange positiv besetzt gewesen. „Das ist gekippt“, sagte der 65-Jährige. „Wenn es weltweit eine negative Einstellung gegen die Finanzwelt gibt - und das scheint zu passieren -, dann müssen sich die Banker und der ganze Finanzmarkt in Zukunft warm anziehen.“
Standen bisher finanzielle Optimierung und Maximierung im Mittelpunkt, könnten sich die Ziele am Finanzmarkt nun ändern, sagte Witte. Eine solche Entwicklung könnte auch die politische Steuerung der Gesellschaft verändern: „Das ist allerdings Zukunft, das haben wir nicht übermorgen.“