Pussy Riot verteidigt schrillen Anti-Putin-Protest
Moskau (dpa) - Die russische Frauen-Punkband Pussy Riot hat zu Beginn des umstrittenen Strafprozesses in Moskau ihre schrille Protestaktion gegen Kremlchef Wladimir Putin verteidigt.
Das Punk-Gebet in der Moskauer Erlöserkathedrale sei politische Empörung mit künstlerischen Mitteln gegen Putins autoritären Stil gewesen, betonten die drei Frauen am Montag vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft warf der Skandalband „Rowdytum aus Motiven des religiösen Hasses“ vor. Den Frauen im Alter zwischen 22 und 29 Jahren drohen bis zu sieben Jahre Straflager. Das Gericht vertagte den Prozess nach rund zehnstündigen Verhandlungen auf diesen Dienstag.
Dann sollen weitere Zeugen zu dem spektakulären Auftritt in der wichtigsten orthodoxen Kirche Russlands gehört werden. Putin-Gegner und Menschenrechtler kritisierten das Verfahren als politischen „Schauprozess“ zur Einschüchterung der Opposition. Nadeschda Tolokonnikowa (22), Maria Aljochina (24) und Jekaterina Samuzewitsch (29) sind angeklagt, mit dem Kirchenprotest und dem Lied „Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin!“ religiöse Gefühle verletzt zu haben. Tolokonnikowa und Aljochina haben kleine Kinder.
Regierungschef Dmitri Medwedew verteidigte das Vorgehen der Justiz. In einigen anderen Ländern müssten die Frauen mit deutlich höheren Strafen rechnen, sagte Medwedew der britischen Zeitung „The Times“. Die Verteidigung warf dem früheren Präsidenten und studierten Juristen vor, Druck auf das Gericht auszuüben. Auch Putin hatte die etwa einminütige Protestaktion öffentlich kritisiert.
In einem Kasten aus Plexiglas beharrten die Frauen zum Prozessauftakt vor dem Chamowniki-Gericht auf ihre Unschuld. „Ich betone noch einmal, dass ich nie religiösen Hass gegenüber der russischen Orthodoxie und den Gläubigen empfunden habe“, ließ die ausgebildete Journalistin Aljochina ausrichten. Zugleich räumten die Frauen ein, der Auftritt sei ein „ethischer Fehler“ gewesen.
Die kriminelle Aktion sei von langer Hand geplant gewesen, sagte dagegen der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Dass die Frauen mit Strickmasken vermummt gewesen waren, sei ein Beweis ihrer Gefährlichkeit. Die Aktion im Altarraum am 21. Februar sei vulgär und erniedrigend für die Christen gewesen. Eine Kirchenmitarbeiterin sagte aus, der „satanische Veitstanz“ bereite ihr noch immer Seelenschmerzen. Die insgesamt neun Nebenkläger gelten als wichtigste Zeugen der Anklage wegen der Verletzung religiöser Gefühle.
In den von Verteidigerin Violetta Wolkowa verlesenen Erklärungen kritisierten die Aktivistinnen erneut, dass Patriarch Kirill als Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche sich unzulässig in die Politik eingemischt habe. Es sei verwerflich, dass er vor der Präsidentenwahl am 4. März offen für Putin bei den Gläubigen geworben habe. Die Musikerinnen wollten auch die enge Verzahnung von Staat und Kirche kritisieren. Pussy Riot sei eine politische Band, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nutze.
Die Anwälte warfen Richterin Marina Syrowa zum Ende des ersten Verhandlungstags schwere Verstöße vor. Syrowa habe die jungen Frauen weder essen noch trinken noch zur Toilette gehen lassen. „Das ist Folter“, sagte einer der Verteidiger. Die Richterin wies dies zurück.
Ermittler haben rund 3000 Seiten Material zusammengetragen. Das Verfahren wurde live im Internet übertragen. Menschenrechtler wiesen darauf hin, dass das Chamowniki-Gericht berüchtigt sei für Justizwillkür. Dort wurde auch der Putin-Gegner und frühere Öl-Milliardär Michail Chodorkowski verurteilt, der seit 2003 unter anderem wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche in Haft ist - bis 2016.
Amnesty International forderte die sofortige Freilassung der Aktivistinnen, die sie als politische Gefangene anerkannt hat. Vor dem Gerichtsgebäude riefen Unterstützer „Freiheit für Pussy Riot“. „Das ist politische Vergeltung und Rache“, schimpfte der Regierungskritiker und frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow.