Rebellen ziehen in Tripolis ein: Mit wehenden Fahnen zum Öl-Ministerium

Tripolis (dpa) - Ihre Ankunft in Tripolis hatten sich die Minister der libyschen Übergangsregierung etwas anders vorgestellt. Niemand wirft mit Blumen. Die meisten Journalisten, die in kugelsicheren Westen durch die Stadt fahren, sind mehr an der Suche nach Muammar al-Gaddafi interessiert.

Erst fährt die Truppe von acht Ministern am Donnerstag zum Gebäude des Öl-Instituts im Westen der Hauptstadt, das den Aufständischen seit einigen Tagen als Militärstützpunkt dient. Doch Informationsminister Mohammed Schammam ist nicht zufrieden. Hier gibt es zu wenige Journalisten, befindet er. Die Minister und ihre Leibwächter steigen nach einer kurzen Besprechung wieder in ihre Fahrzeuge und fahren zum Öl-Ministerium in der Innenstadt.

In dem modernen Gebäude, das der letzte von Gaddafi ernannte Chef der Nationalen Ölgesellschaft, Schukri Ghanim, erst vor gut einem Jahr bezogen hatte, warten sie erneut, umringt von rund 40 bewaffneten Rebellen. „Wo ist CNN, wo ist das Team von Al-Dschasira?“, ruft Schammam.

Zwei Stunden später setzt sich der Konvoi erneut in Bewegung. Schließlich hält er in einem Hotel mit Blick auf den Hafen, in dem etliche ausländische Reporter wohnen. Doch auch hier wird der große Auftritt zum Rohrkrepierer. „Wer ist der Mann da mit dem Schnauzbart?“, fragt ein japanischer Journalist. „Das ist der libysche Öl-Minister und stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Übergangsrates, Ali al-Tarhuni“, erklärt ihm mit große Ernst einer der Sprecher des Übergangsrates, der aus Bengasi mit angereist ist.

Die Fernsehteams, die nach einem langen, heißen Tag in den noch immer unsicheren Straßen von Tripolis in ihr Hotel zurückkommen, nehmen kaum Notiz von der Gruppe Neu-Politiker. Sie suchen vor dem Hotel nach einem guten Standort, um mit dem Satellitenhandy zu telefonieren oder mit ihren Kameras die Rauchwolken zu filmen, die über der Innenstadt aufsteigen.

Sie bewegt vor allem eine Frage: „Wo sind Gaddafi und seine Söhne?“ Gerüchte flirren durch die Hotellobby. Erst heißt es, Gaddafi habe sich in einem unterirdischen Bunker in seinen Stützpunkt Bab al-Asisija in Tripolis versteckt. Das wäre ja schon fast das Saddam-Hussein-Szenario. Der irakische Ex-Präsident war nach seinem Sturz abgetaucht und später mit verfilztem Bart aus einem Erdloch herausgezogen worden. Doch ein Rebellenkommandeur aus Tripolis winkt ab. Gaddafi sei nicht mehr in der Stadt, nur noch einige seiner Söhne.

Die Minister, die erst mit einem kleinen Flugzeug auf einer Piste im westlichen Gebirge landen und dann viele Stunden im Konvoi über Land fahren mussten, sind gerädert. Als gläubige Muslime fasten sie in diesen Tagen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Und selbst falls einige von ihnen nicht fasten sollten, so könnten sie vor den fastenden Kämpfern, die sie schützen, nicht essen oder trinken, ohne diese vor den Kopf zu stoßen. Deshalb ziehen sich Minister ers einmal in mehrere Hotelzimmer zurück, um sich zu waschen. Dann wird gegessen.

Kurz vor Mitternacht geben die Minister schließlich ihre erste Pressekonferenz, bei der sie offiziell den Umzug ihres Gremiums nach Tripolis erklären. Ähnlich wie Gaddafi - der seine Ansprachen auch immer auf die späten Abendstunden legte. Sein Bild liegt jetzt am Eingang zum Konferenzsaal des Hotels auf dem Boden - damit jeder einmal über das Gesicht von Gaddafi trampeln kann. Ganz so, wie es damals mit den Saddam-Postern in Bagdad gemacht wurde.