Report: Blutbad an US-Grundschule
Washington/Newtown (dpa) - Kinder weinen, Eltern drängeln sich panisch durch Absperrungen, Polizisten brüllen Befehle, und zwischendurch schrillen immer wieder die Sirenen der Krankenwagen.
Die ersten Berichte und TV-Bilder, die am Freitagmittag (Ortszeit) von einer Grundschule im beschaulichen Städtchen Newtown im US-Bundesstaat Connecticut eintreffen, sind bestürzend. Erfahrenen Nachrichtenmoderatoren schießen Tränen in die Augen. Auch der sichtlich erschütterte US-Präsident Barack Obama ringt in einer Ansprache kurz nach dem Blutbad mit 27 Toten um Fassung. Es ist eines der grausamsten Verbrechen in der Geschichte der USA, das zehn Tage vor Weihnachten das Land bis ins Mark erschüttert.
Der bewaffnete Schütze hatte in der Sandy Hook-Grundschule wild um sich geschossen. Auf einer Pressekonferenz bestätigt die Polizei, dass 27 Menschen starben - 20 Kinder, 6 Mitarbeiter der Schule und der Schütze selbst. Unklar blieb, ob er sich selbst umbrachte oder ob ihn Polizisten töteten. Medienberichten zufolge ist unter den Toten auch die Mutter des Amokläufers. Sie soll Lehrerin an der Schule gewesen sein. Nach Informationen des Nachrichtensenders CNN ist außerdem die Leiche des Bruders des Schützen tot in seinem Haus im US-Bundesstaat New Jersey gefunden worden.
Sie habe mit der Mutter einer Zweitklässlerin gesprochen, die während der Schießerei in der Schule war, berichtete eine Reporterin des Nachrichtensenders CNN. „Sie war in einem Raum mit sechs anderen, darunter Direktorin, Vizedirektor und Schulpsychologe. Dann hörten sie Schüsse im Flur. Drei Menschen gingen auf den Flur hinaus - und zurück kam nur der Vizedirektor, krabbelnd, weil er in den Fuß geschossen worden war.“
Mindestens 100 Schüsse seien abgegeben worden. Als die Kinder später auf den Flur gingen, hätten dort die Direktorin und der Schulpsychologe tot in Blutlachen gelegen. Die Direktorin sei relativ neu im Amt und ein „wunderbarer Mensch“ gewesen, sagte die Mutter einer Drittklässlerin. „Man hätte sich keine bessere Direktorin wünschen können. Das kann doch alles nicht wahr sein“, sagte die entsetzte Frau.
Der erste Notruf ging gegen 9.30 (Ortszeit) bei der Polizei ein. Dutzende Beamte durchsuchten die Schule und brachten die Kinder in ein nahe gelegenes Feuerwehrhaus in Sicherheit. Telefonisch wurden die Eltern alarmiert. Alle Schulen im Bezirk wurden sofort geschlossen. Bereits wenige Stunden nach der Tat waren Psychologen vor Ort, die sich um Angehörige und Helfer kümmerten. „Ein Polizist hat mir gesagt, dass ist das Schlimmste, was er in seiner ganzen Karriere je gesehen hat“, sagte eine Mutter dem TV-Sender CNN.
„Wir haben die Polizisten gesehen und ganz viele Leute“, erzählte die Drittklässlerin Alexis. „Wir hatten Angst und wollten nur, dass unsere Eltern uns ganz schnell abholen. Einige haben sogar ganz dolle Bauchschmerzen bekommen“, sagt das kleine Mädchen mit Zahnlücke und einem Haarreif in den brauen schulterlangen Haaren. „Wir waren in der Sporthalle und hörten die Schüsse. Dann sollten wir uns alle an die Wand setzen“, erzählt ein Junge mit stockender Stimme. „Wir sind dann alle zu dem Feuerwehrhaus gerannt.“
Die Szene ist chaotisch und unübersichtlich. Ein Polizeisprecher will sich bei einer hastig eingerufenen Pressekonferenz gar nicht zu der Zahl der Opfer äußern und spricht nur von „zahlreichen Toten, darunter Schüler und Mitarbeiter“.
Auch über den Amokläufer ist zunächst wenig bekannt: Er soll zwischen 20 und 30 Jahre alt sein und ganz in schwarz gekleidet, mit einer kugelsicheren Weste und bis zu vier Waffen in die Grundschule gestürmt sein. Seine Leiche wurde in einem Klassenraum gefunden. Möglicherweise habe der Schütze Verbindungen zur Schule gehabt, könnte gar ein Vater eines Schülers gewesen sein, spekulieren Medien. Andere Medien berichteten, dass die Mutter des Schützen Lehrerin an der Schule war und unter den Toten sei. Wie der Täter ums Leben kam und ob er Komplizen hatte, war zunächst nicht bekannt.
Die Grundschule „Sandy Hook“ mit rund 700 Schülern liegt mitten in einer bewaldeten Gegend im beschaulichen 30 000-Einwohner Städtchen Newtown in Connecticut. Sie soll gerade erst in diesem Jahr ein neues Sicherheitssystem eingeführt haben.
„Ich kann das alles gar nicht begreifen“, sagt eine Mutter, die vor einer Polizeiabsperrung steht. „Newtown ist doch so ein nettes, kleines Städtchen - das kann doch hier nicht passieren.“
Newtown ist fast 300 Jahre alt und gilt als äußerst pittoresk mit Antiquitätenläden und gepflegten Häusern. Die Strände des Atlantik und beliebte Urlaubsregionen wie Cape Cod oder Long Island sind nicht weit. Viele Bewohner pendeln entweder in die rund 120 Kilometer entfernt gelegene Millionenmetropole New York oder in die rund 40 Kilometer entfernte Stadt New Haven, wo unter anderem die Elite-Universität Yale tausende Menschen beschäftigt.