Report: Deutschgriechen genervt und besorgt
Essen/Stuttgart (dpa) - Der Arbeitstag begann für Bankerin Argiro Kamarianaki (42) aus Herten im Ruhrgebiet mal wieder mit einem Griechenwitz. Sie ist dienstlich bei einer Zwangsversteigerung, sagt ein Anbieter: „Aber bitte mit deutschen, nicht mit griechischen Euros zahlen.“ Antwortet sie sarkastisch: „Die sind doch eh alle von Euch.“
Kamarianaki weiß es als Bankkauffrau natürlich besser, sie ist im Ruhrgebiet aufgewachsen, hat den deutschen Pass - und muss sich wie Zehntausende Landsleute doch jeden Tag Sprüche anhören, die manchmal schmerzen. Ihre Eltern sind 1960 aus Alexandroupolis im äußersten Nordosten Griechenlands mit dem Bus nach Deutschland geholt worden. Direkt am nächsten Tag hat ihr Vater in einer Wurstfabrik angefangen.
Ihre Familie hat das Gefühl, hier ihren Beitrag geleistet zu haben. In Alexandroupolis - einer 80 000-Einwohnerstadt etwas größer als Herten - stehen diesen Sommer aber mehr als ein Drittel der Läden leer. Keiner kauft mehr, trotz Sonderangeboten.
„Das hat ein Maß an Überheblichkeit“, sagt Maria Kalaitzidou (49), Lehrerin aus Essen, zur Griechenland-Debatte. „Deutschland wäre doch auch pleite, wenn es seine Schulden zurückzahlen müsste.“ In ihrer Heimat, einem Dorf in der Nähe von Thessaloniki in einem der fruchtbarsten Täler des Landes, warten die Obstbauern immer noch auf ihr Geld für die letzte Ernte. Solche Kleinverdiener trifft die Krise jetzt besonders und ungerechtfertigt hart, finden beide Frauen.
Nicht die 600-Euro-Rentner sollten zur Kasse gebeten werden, sondern die reichen Griechen, die große Vermögen angehäuft haben, fordert Stefanos Fraskos (46) aus Hagen. Der arbeitslose Familienvater muss seine Kinder nach der Schule öfter trösten. „Die werden ausgelacht: Griechenland ist bankrott. Aber wir können es doch nicht ändern.“ „Wenn einer am Boden liegt und die anderen stehen drumherum - dann tritt man doch nicht noch drauf, sondern hilft“, sagt der Essener Kellner Makis Salvanos (52) aus dem griechischen Restaurant „Hügoloss“.
Der psychische Druck auf die Griechen ist größer geworden und die ständige schlechte Presse schadet dem Geschäft - das gilt auch für Stuttgart, eine deutlich wohlhabendere Gegend als das Ruhrgebiet: „Mancher macht sich Sorgen wegen der vermehrten Streiks in Griechenland“, sagt Christos Gortsilas (41) im auf Griechenland spezialisierten Stuttgarter Reisebüro „Geo's Reisen“. Die öffentliche Debatte habe die Buchungen zurückgehen lassen, berichtet er.
„Es wird immer nur von 'den Griechen' gesprochen, ohne zu differenzieren“, klagt er. Generell spricht sich der Touristikspezialist - wie praktisch alle Griechen hier - für eine Unterstützung des Landes aus. „Man versucht das Land zu retten, um zu zeigen, dass man zusammenhält.“ Griechenland sei erst der Anfang. Auch andere Länder müssten in Zukunft gestützt werden. „Wenn Griechenland untergeht, gehen wir alle unter“, sagt Kamarianaki.