Report: Ferien enden tödlich
Kairo/Moskau (dpa) - In der Ankunftshalle des Flughafens St. Petersburg-Pulkowo blicken Wartende verzweifelt auf die Anzeigetafel. Doch Flug 9268 aus Ägypten, der eigentlich längst hätte landen sollen, wird nicht angezeigt.
Wie Bilder des TV-Senders Rossija-24 zeigen, wenden sie sich ratlos an Angestellte der Fluggesellschaften. Doch die sagen nichts.
Die Maschine mit 224 Menschen, vor allem Russen, an Bord wird nicht mehr in der einstigen Zarenstadt landen. Sie stürzte über der felsigen ägyptischen Sinai-Halbinsel ab - den Angaben zufolge kamen alle Insassen, unter ihnen 24 Kinder, ums Leben. Die genauen Ursachen der Tragödie blieben zunächst unklar.
Scharm el Scheich, 5.51 Uhr am Morgen: Der Airbus 321 der sibirischen Gesellschaft Kolavia hebt ab im Badeort am Roten Meer, vor allem mit russischen Urlaubern an Bord. Nach Angaben der Seite „Flightradar24.com“ steigt die Maschine bei sommerlichen Temperaturen und guten Flugbedingungen über dem Golf von Akaba auf und dreht dann nach links Richtung West-Russland.
23 Minuten nach dem Start reißt der Kontakt zur Maschine ab. Die blaue Linie, die die Flugroute auf der digitalen Karte nachzeichnet, hört mitten über der Sinai-Halbinsel auf. Als wäre der Airbus dort gelandet. Doch auf dem Sinai, in Ägyptens Unruhe-Region, gibt es vor allem Berge, Felsen und Wüste. Ob es den Versuch einer Notlandung auf dem nahen Flughafen in der Stadt Al-Arisch gab, wurde zunächst nicht Bestätigung.
„Das Flugzeug verunglückte in einer zerklüfteten Bergregion. Mediziner haben den Absturzort erreicht und bergen die Opfer zusammen mit der Armee“, sagt ein Behördensprecher der Deutschen Presse-Agentur. Seinen Angaben zufolge ist der Absturz auf ein technisches Problem zurückzuführen - eine vorschnell erscheinende Einschätzung angesichts der noch nicht ausgewerteten Blackbox.
Derweil berichtet das ägyptische Staatsfernsehen nur kurz über die Katastrophe und entscheidet sich dann dazu, lieber eine Comedy-Serie und eine Kochshow zu zeigen. Bilder der Unglücksstelle gibt es zunächst keine. Während der Süden des Sinai vielen Touristen als Urlaubsparadies gilt, ist der Norden der Halbinsel in weiten Teilen militärisches Sperrgebiet. Zugang für Medien und Kamerateams ist schwierig bis unmöglich.
Extremistengruppen sind dort aktiv - auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat einen Ableger auf dem Sinai. Deren Behauptung, für den Absturz von Flug KGL 9268 verantwortlich zu sein, stößt bei Beobachtern und Experten auf Skepsis. Die Maschine sei bereits zu hoch geflogen, um von den Waffen getroffen zu werden, die den Extremisten dort bekannterweise zur Verfügung stünden, twitterte etwa Nahost-Experte Charles Lister von der US-Denkfabrik Brookings. Eine Bombe im Flugzeug erwähnt die IS-nahe Internetseite in dem angeblichen Bekennerschreiben nicht.
Doch auch wenn die Katastrophe nichts mit den Terroristen zu tun haben sollte, dürfte sie ein weiterer Schlag für den Tourismussektor in Ägypten sein. Dieser ist für die Wirtschaft des Landes von entscheidender Bedeutung - und leidet unter der instabilen Sicherheitslage. Viele westliche Touristen meiden das Land. Russische Urlauber - Branchenberichten zufolge mehr als drei Millionen im vergangenen Jahr - sind deshalb von großer Bedeutung.
Am St. Petersburger Flughafen sind die Reisenden in dicke Pullis und Jacken gehüllt - sie wollen dem ungemütlichen russischen Herbst bei Temperaturen um den Gefrierpunkt während der Schulferien noch einmal entfliehen. Zahlreiche Reisebüros locken vor dem harten Winter mit günstigen Pauschalangeboten für Reisen ans Rote Meer. Die anderen Wartenden starren weiter auf die Leuchttafel - bis sie Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen bekommen.