Report: Irans Rückkehr in die Welt

Wien (dpa) - 13 000 Zentrifugen zur Uran-Anreicherung sind abgebaut, von fast zwölf Tonnen angereichertem Uran liegen nur noch wenige hundert Kilogramm auf Lager, der Kern des Schwerwasserreaktors Arak ist mit Beton zugeschüttet.

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Der Iran hat nach dem Atom-Deal vom Sommer 2015 flink alle Punkte erfüllt und Sorgen über den etwaigen Bau einer Nuklearwaffe weitgehend zerstreut. „Dies ist ein historischer Tag, weil wir die Grundlage für Vertrauensbildung und für neue Kapitel in unseren Beziehungen geschaffen haben“, meinten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Irans Außenminister Dschawad Mohammed Sarif in einer gemeinsamen Erklärung.

Die Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien hatte kurz zuvor der Islamischen Republik eine deutliche Verringerung ihrer Atomkapazitäten attestiert. Als Folge wurden die Wirtschafts- und Finanzsanktionen der EU und der USA umgehend aufgehoben. Unterm Strich: Grünes Licht für den wohl größten Sieg der Diplomatie in diesem Jahrzehnt.

Mit ihrer Eile wollten die Reformer um Präsident Hassan Ruhani offenkundig noch vor den Parlamentswahlen am 26. Februar von der Aufbruchstimmung im Land profitieren. Denn mit dem Ende der Sanktionen scheint national wie international eine Wende zum Besseren verbunden. „Mit diesem Abkommen haben alle gewonnen, sowohl im In- als auch im Ausland“, sagte Ruhani am Sonntag im iranischen Parlament.

Dabei waren die Schlussgespräche im Wiener UN-Gebäude wider Erwarten noch ein hartes Stück Arbeit. Mehr als zehn Stunden lang wurde erneut um technische Details gefeilscht. „Nichts Ernstes, Diplomatie braucht Geduld“, twitterte Sarif, um seine Landsleute zu beruhigen.

Was Diplomatie erreichen kann, verdeutlichte ein politischer Paukenschlag: Während der Gespräche wurde bekannt, dass sich die USA und der Iran auf einen Gefangenenaustausch geeinigt hatten. Teheran ließ den „Washington-Post“-Reporter Jason Rezaian und drei weitere US-Gefangene frei, im Gegenzug erklärten sich die USA zur Freilassung sieben iranischer Häftlinge bereit.

US-Außenminister John Kerry meinte, beide Themen hätten zwar nicht zwingend etwas miteinander zu tun, aber mit dem Abschluss des Atom-Deals sei auch in die Gefangenenfrage neuer Schwung gekommen. Die richtige Chemie, entstanden in unzähligen Kontakten mit dem Iran in den letzten beiden Jahren, machte es möglich.

Das politische Tauwetter bereitet auch den Boden für vielversprechende wirtschaftliche Aussichten. So wird die deutsche Industrie von der Aufhebung der Sanktionen profitieren. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass die deutschen Exporte in den Iran binnen vier Jahren von 2,39 Milliarden 2014 auf zehn Milliarden Euro mehr als vervierfacht werden können. Deutschland war früher wichtigster Warenlieferant für den Golfstaat. Europas Flugzeugindustrie darf jubeln. Der Iran will 114 Flugzeuge vom Typ Airbus bestellen.

Aus den Erzfeinden USA und Iran werden nicht über Nacht neue Freunde, aber „Wandel durch Annäherung“ - ein Motto aus den deutsch-deutschen Beziehungen - liegt in der Luft. Der Deal im Sommer war von vielen der 78 Millionen Iraner jedenfalls gefeiert worden wie andernorts der Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft.

Auch für die USA hat der Iran-Deal eine sehr große Bedeutung. Präsident Barack Obama schreibt sich die friedliche Einigung mit Teheran als einen seiner größten außenpolitischen Erfolge auf die Fahnen. Außenminister Kerry wird als zum Erfolg entschlossener Verhandler nicht müde, das Thema Iran als leuchtendes Beispiel für das Gelingen von Diplomatie zu preisen. „Die Welt hat so einen weiteren Krieg vermieden“, sagte Obama in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation - und lobte damit Kerrys beeindruckenden Einsatz in den zweijährigen Verhandlungen.

Washington hat Tempo und Entschlossenheit Teherans gleichwohl unterschätzt, rechnete mit einem deutlich längeren Zeitraum zur Umsetzung. Robert Einhorn von der Denkfabrik Brookings sagt: „Die iranische Regierung will die möglichen Vorteile aufgehobener Sanktionen ganz klar noch vor den Wahlen im Februar nutzen.“

Für die Republikaner ist der Iran-Deal Teufelswerk. Im Allgemeinen, weil man mit fundamentalistischen Mullahs nicht verhandeln dürfe. Im Speziellen, weil genau das vorgelegte Tempo dazu führe, dass der Senat zu wenig Zeit für die Prüfung zentraler Dokumente hatte. Diese Auffassung teilen auch demokratische Senatoren.

Das Verhältnis zwischen Washington und Teheran ist seit Jahrzehnten bestenfalls angespannt. Außerhalb der Atomverhandlungen unterhalten beide seit 35 Jahren keine diplomatischen Beziehungen. Wenn es nach den Bewerbern der Republikaner für das Weiße Haus geht, soll das auch genau so bleiben. Längst wird das Thema hitzig auch im Wahlkampf verhandelt.

Die gravierende Verschlechterung der Beziehungen zwischen Iran und Washingtons wichtigem Verbündeten Saudi-Arabien machen das alles nicht einfacher. Wohl mit Rücksicht auf Saudi-Arabien, dem Gegenspieler des Irans in der Region, fiel der historische Tag in Wien zumindest protokollarisch mager aus.

Mit dem Beginn der Umsetzung des Abkommens ist nicht sofort alles gut. Das Misstrauen - der Iran hat nach Überzeugung der IAEA bis 2003 tatsächlich zumindest an der Entwicklung einer Atombombe gearbeitet - hat eine höchst intensive Überwachung des Irans durch die Experten der IAEA zur Folge. Sollte der Verdacht aufkeimen, dass sich Teheran nicht an die Regeln hält, ist ein Wiedereinsetzen der UN-Sanktionen möglich. Der „snapback“-Mechanismus kann nicht durch ein Veto im UN-Sicherheitsrat gestoppt werden. „Das ist ein ganz scharfes Schwert“, sagt ein Diplomat. Das wäre aber auch das Ende der Annäherung.