Report: Neues Kapitel im Schulden-Thriller

Berlin/Athen/Brüssel (dpa) - Die Freude währte nicht lange: Nach einem ermüdenden Gezerre hatte sich die neue griechische Regierung Ende Februar mit den Europartnern auf eine Verlängerung des Hilfsprogramms für das pleitebedrohte Land geeinigt.

Doch nach der Lösung in letzter Minute ist die Lage schon Anfang März wieder dramatisch. Angeblich sind die Staatskassen viel früher leer als zuvor befürchtet. Insgesamt muss Athen im März nach bisherigen Angaben Verpflichtungen im Umfang von gut 6,85 Milliarden Euro erfüllen. Die Euro-Finanzminister werden am Montag über die Lage beraten.

Wie es um die finanzielle Lage genau steht, weiß indes niemand - vielleicht nicht einmal die Regierung selbst. Klar ist nur, dass neue Kredite aus dem Hilfsprogramm erstmal nicht zu erwarten sind. Welche Möglichkeiten bleiben den Griechen?

VORSCHUSS? Rund 17 Milliarden Euro stehen aus verschiedenen Töpfen zur Verfügung - grundsätzlich jedenfalls. Doch bevor das Geld fließen kann, muss Athen sein Reformprogramm präzisieren. „Wir sind noch einen weiten Weg davon entfernt“, heißt es in Brüssel. Vorschüsse wären zwar theoretisch denkbar. Aus Brüssel und Berlin kam dazu aber schon ein klares „Nein“. Für mögliche Vorabzahlungen gebe es keine Grundlage, heißt es aus dem deutschen Finanzministerium. Und in Brüssel wird darauf verwiesen, dass vor weiteren Hilfen zunächst der Reformkurs von Finanzminister Gianis Varoufakis von den drei Geldgeber-Institutionen - EU, EZB und IWF - überprüft werden muss. Genau dafür fehlen den Geldgebern bislang viele wichtige Informationen.

STEUERN? Die marode Steuerverwaltung wurde schon zum Beginn der griechischen Krise 2010 als eines der größten Probleme ausgemacht. Trotz gewisser Fortschritte beim Kampf gegen die Steuerhinterziehung hat Athen immer noch große Probleme, Steuern einzutreiben. Hinzu kommt, dass die Bürger Anfang des Jahres viel weniger Steuern gezahlt haben - in der Hoffnung, dass die neue Regierung deutliche Steuererleichterungen beschließt. Varoufakis jüngste Idee zeigt die ganze Hilfslosigkeit Athens: In einem Brief an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem schlägt er vor, einfache Bürger in die Jagd auf Steuersünder einzuspannen. Mit Video- und Audio-Aufnahmegeräten ausgerüstet, sollen sie als Amateurfahnder zum Beispiel festhalten, ob Tavernen anders als vorgeschrieben ihren Gästen keine Quittung ausstellen.

Athen hat zudem säumigen Schuldnern ein verlockendes Angebot gemacht: Wer in Griechenland bis Ende März seine Schulden beim Staat begleicht, braucht keine Geldstrafen zu zahlen, die wegen des Verzugs verhängt worden waren.

GELD ZUSAMMENKRATZEN? Schon jetzt fehlt es an vielen Stellen für das Nötigste, das Land bricht Stück für Stück auseinander. Auch dieser Schritt der Regierung zeigt, wie groß die öffentliche Not ist: Die Rentenkassen und andere öffentliche Institutionen wurden diese Woche aufgerufen, ihre Geldeinlagen an den Staat zu überweisen.

GELDMARKTPAPIERE: Mit solchen kurzfristigen Anleihen („T-Bills“) will Athen das akute Finanzloch stopfen, wie Regierungschef Alexis Tsipras im „Spiegel“ ankündigte. Aber auch da gibt es einen Haken. Die aktuelle Obergrenze von 15 Milliarden Euro für die Ausgabe solcher Papiere ist erreicht - und die Europäische Zentralbank (EZB) kann diese nach Informationen aus Finanzkreisen nicht einfach ohne Zustimmung der Finanzminister heraufsetzen. „Die EZB hält immer noch das Seil, das um unseren Hals hängt“, beklagt Tsipras deswegen. Sollte die EZB bei ihrer Linie bleiben, „dann kehrt der Thriller zurück, den wir vor dem 20. Februar gesehen haben“.

Das Interesse internationaler Anleger an diesen hoch riskanten griechischen Papieren ist praktisch Null. Also müssten griechische Investoren und Banken kaufen - und weil die nicht unbegrenzt in riskante Anlagen investieren dürfen, war zuletzt sogar die nationale Notenbank eingesprungen.

GREXIT: „Das Land ist konkursreif und wird doch immer weiter mit öffentlichen Mitteln finanziert“, kritisiert der Chef des Forschungsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn. Er empfiehlt den Griechen als Alternative einen „formellen Konkurs“ mit einem Austritt aus der Währungsunion und einer Abwertung der griechischen Währung - dieses Szenario geistert immer wieder als „Grexit“ (aus „Greece“ und „Exit“) durch die Welt.

Es könnte die letzte Notfalloption sein, falls Athen tatsächlich pleite ginge: Denn mit einer eigenen Währung bekäme das Land die Hoheit über die Geldschöpfung zurück. Die „Grexit“-Option hätte für die Griechen indes auch gewaltige Nachteile: Alle Importe in Hartwährungen - wie Euro und Dollar - wären auf einen Schlag deutlich teurer. Politisch will den Austritt ohnehin niemand - im Interesse der gesamten Währungsunion. Auch Tsipras sagt im „Spiegel“: „Ich glaube, es ist mit der Eurozone, wie mit einem Wollpullover: Wenn er einmal anfängt, sich aufzulösen, dann lässt sich das nicht mehr stoppen.“