Report: „Nicht hier, nicht hier bei uns“
Newtown (dpa) - Es wird das traurigste Weihnachtsfest in der Geschichte von Newtown. Überall hängt Dekoration, und gleich mehrere große Weihnachtsbäume sind über die kleine Stadt in Connecticut - eine gute Autostunde nördlich von New York - verteilt.
Aber die Weihnachtsstimmung ist seit Freitag schlagartig verschwunden. Der Ort trauert um den Tod von sechs Lehrern und von 20 kleinen Kindern - umgebracht während eines Amoklaufes, den sich niemand erklären kann und der Tausende Menschen ratlos zurücklässt.
„Es ist so traurig. Warum hat er das nur gemacht? Warum, warum, warum?“, fragt Carol Eurell. Die New Yorkerin ist als freiwillige Seelsorgerin noch am Tag des Verbrechens nach Newtown geeilt, wo sie Freunde und Verwandte hat. „Es ist ein Trauma für diese Stadt, ein gewaltiges Trauma“, sagt sie. „Ich biete einfach an, mit den Menschen zu reden. Und viele brauchen anscheinend genau das.“ Auch einige Polizisten und Rettungssanitäter gehören zu den Menschen, die ihre Hilfe gesucht haben.
Newtown ist eine idyllische, beinahe verschlafene Stadt mit gut 27 000 Einwohnern. Ein kleines Flüsschen rauscht friedlich durch das Zentrum, die niedrigen Häuser sind sauber und mit Weihnachtslichtern geschmückt. Selbst die allgegenwärtigen Fast-Food- Ketten passen sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild der Stadt an.
Am Samstag kann man keinen Schritt tun, ohne auf Menschen in Uniform zu stoßen. Es sind Rettungssanitäter und Feuerwehrleute, meistens aber Polizisten von einer der zahlreichen Behörden in Stadt, Bundesstaat und Nation. Nicht unfreundlich, aber misstrauisch schauen sie unter ihren Hüten, Mützen und Helmen hervor, die rechte Hand immer in der Nähe des Holsters mit der Pistole.
Die Gegend um den Tatort in der Sandy Hook Elementary School ist weiträumig abgesperrt, hier kommt kaum jemand durch. Der Fahrer eines Paketwagens versucht es trotzdem - auch er wird abgewiesen. Die Menschen in der Nachbarschaft werden heute auf ihre Post verzichten müssen. Es wird sie kaum schmerzen.
Kriminalität war in Newtown bisher etwas, das aus dem Fernsehen bekannt war. Das Grauen, das über die Familien der Opfer in diesem Städtchen hereingebrochen ist, lässt sich kaum in Worte fassen. Irgendwo saßen am Tag danach die Familien an einem Frühstückstisch, an dem nur 24 Stunden zuvor die Welt noch in Ordnung war. Vielleicht hatte ein Vater einem Sechsjährigen für das Wochenende einen Winterspaziergang versprochen. Vielleicht hatte eine Mutter eine Siebenjährige zur Eile gemahnt. Vielleicht haben Eltern ihrem kleinen Kind den viel zu teuren Weihnachtswunsch auszureden versucht - und dann doch heimlich die Besorgung geplant. Was auch immer passiert ist - für die Familien wird es nie wieder so sein wie zuvor.
„Ich kann nicht glauben dass das hier bei uns passiert ist“, sagt Bobby Haskins. „Ich kann es einfach nicht glauben. Nicht hier, nicht hier bei uns“, sagt der 14-Jährige. „Was sollen wir machen? Wir müssen jetzt einfach versuchen, positiv zu denken. Wir müssen es einfach machen! Aber es ist so verdammt schwer.“