Report: Patriotische Gelassenheit am Jahrestag von „9/11“
New York (dpa) - Howell Kevorkian und Bob Brudick haben nie eine freundlichere Stadt erlebt: „Jeder klopft uns auf die Schulter, jeder gibt uns die Hand, Taxis halten an und viele wollen sich sogar mit uns fotografieren lassen“, sagt Bob.
Kein Wunder: Beide sind Feuerwehrmänner und beide tragen ihre Uniform im New York zehn Jahre nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September 2001. Die Stadt ehrt zum Jahrestag ihre Helden. Und am Ground Zero, dem Todesort von fast 3000 Menschen, gibt es Gedenken und Ehrbezeugungen, aber auch eine fast fröhliche Stimmung.
Die beiden Feuerwehrmänner kommen gar nicht aus New York, sie sind aus dem Nachbarstaat Connecticut im Norden. „Aber natürlich haben wir damals sofort geholfen. Firefighter stehen einander bei“, sagt Howell feierlich - auf Deutsch. Der frühere Oberstleutnant hat lange in Rheinland-Pfalz gedient, da wo Bob Familie hat. „Wir haben uns damals sehr über die Solidarität der Deutschen gefreut“, sagt Bob. „Wir waren alle wirklich gerührt.“
Und sein Freund ergänzt: „Wir haben oft mit deutschen Kameraden zusammengearbeitet. Wenn die kein Englisch konnten und wir kein Deutsch“, sagt er, obwohl sein Deutsch hervorragend ist, „konnten wir uns doch verständigen. Feuerwehrleute sprechen überall auf der Welt die gleiche Sprache.“
Immer wieder müssen die beiden sich fotografieren lassen. Einige Touristen sind nachdenklich am Ort massenhaften Todes, doch die meisten gut gelaunt. Ein Solidaritäts-T-Shirt trägt fast jeder. Auch Tom Murphy. „Ich habe mir eines der Polizei übergezogen, obwohl ich gar kein Polizist bin“, sagt der 57-Jährige schulterzuckend. „Aber he, ständig wird der Feuerwehrleute gedacht. Das ist gut so, aber es gab auch ein paar hundert Polizisten, die einfach nur helfen wollten, und das mit ihrem Leben bezahlt haben.“
Der Stahlarbeiter hatte seine Baustelle direkt am World Trade Center. „Damals hatte ich frei“, sagt er und muss den Umstehenden nicht erklären, was er mit „damals“ meint. „Wer weiß, vielleicht stünde mein Name jetzt auch da.“ Die Namen der fast 3000 Opfer sind auf die Ränder der beiden Gedenkbecken graviert, die heute an der Stelle der Zwillingstürme stehen. „Meine Frau hat da gearbeitet“, sagt Tom und zeigt auf den Platz, wo die Türme standen. „Genau 100 Tage vor den Anschlägen wurde sie vorzeitig pensioniert.“ Kurze Pause. „Verdammt, haben wir zwei ein Glück gehabt.“
Hinter ihm erhebt sich der einst Freedom Tower genannte Turm, der jetzt nur noch „1 WTC“ heißt und zu zwei Dritteln fertig ist. Die Stockwerke strahlen in den Nationalfarben rot, weiß und blau. Überall sind Fahnen, manche halb so groß wie ein Tennisplatz. Am Zaun der Trinity Church hängen Hunderte weiße Schleifen, beschrieben mit Wünschen, Gedanken oder einfach nur den Namen von Menschen, die seit zehn Jahren von anderen Menschen vermisst werden.
Ein paar Matrosen der „USS New York“ gehen vorbei. Ihr Landungsschiff besteht zu ein paar Tonnen aus dem Stahl des World Trade Centers und sie kommen keine zehn Meter weit, ohne dass sich jemand mit ihnen fotografieren lassen will.
Überall stehen Polizisten oder Soldaten mit Sturmgewehren. Plötzlich bebt der Boden: Fast 600 Motorräder der schweren Sorte donnern heran, übersät mit US-Flaggen. „Wir fahren sonst zu den Begräbnissen gefallener Soldaten“, sagen Diane und Pete von ihren Ledersitzen aus. „Deshalb ist es uns eine Verpflichtung, heute hier zu sein, und die Helden vom 11. September zu ehren.“ Sie gucken ernst, traurig fast. Aber dann lächeln sie wieder: „Gott schütze Euch“, brummt Pete, dann braust er seinen Freunden hinterher.