Report: Wenn Batterien zur Kostbarkeit werden

New York (dpa) - Äußerlich gibt sich New York noch gelassen. Der Verkehr schleppt sich einen Tag vor Ankunft von Hurrikan „Irene“ wie an jedem Samstag durch die Straßenschluchten.

Touristen stehen mit dem Reiseführer am Ground Zero, als wüssten sie nicht, was dem Megabauplatz mit seinen unfertigen Wolkenkratzern bevorsteht. Im Blue Water Grill und anderen Restaurants in der City werden „Hurricane Cocktails“ zum Sonderpreis von 10 Dollar gemixt. Wer Irene heißt, bekommt den ersten Drink sogar umsonst.

Doch die letzten noch offenen Geschäfte verraten die innere Unruhe der Millionenstadt. Die Regale und Kühlfächer sind klaffend leer. „Batterien? Alles für den Notstand ist längst verkauft“, heißt es in einem Laden nach dem anderen. Auch Wasser, Milch, Brot, Aufschnitt war schon am Freitag vergriffen. Wer es schaffte, deckte sich wenigstens mit Bier ein. Überhaupt verlockte der sonnige Freitag die partygewohnten New Yorker, noch einmal so richtig zu feiern.

Derweil raufte sich Bürgermeister Michael Bloomberg die Haare. Gut 375 000 Einwohner der Stadt sind nach seiner Einschätzung von den Auswirkungen des erwarteten Monstersturms bedroht und müssen ihre Wohnung verlassen. Wer nicht geht, muss 500 Dollar Strafe zahlen und sogar eine Weile hinter Gitter. Bloomberg redete den Betroffenen gut zu, bei Verwandten und Freunden in den höher gelegenen Straßen der Stadt Zuflucht zu nehmen.

Wer auf sich selbst gestellt ist, kann eine der 91 über die Stadt verteilten Notunterkünfte aufsuchen. Für Wasser und Decken ist dort gesorgt. Nahrungsmittel sollten noch eintreffen. Allerdings galt es, sich zu sputen. Um Punkt 12.00 Uhr mittags Ortszeit (18.00 Uhr deutscher Zeit/MESZ) sollte die größte Stadt der USA zur Fußgängerzone werden. Kein Bus, keine U-Bahn, keine Nahverkehrszüge mehr. Selbst die Fähren vom Südzipfel Manhattans nach Staten Island sollten dann nicht mehr fahren.

An vielen U-Bahnstationen bot die Stadt vor der geplanten Einstellung des Betriebs „Free Entry“ (freien Eintritt), damit alle Betroffenen in sichere Gebiete gelangen konnten. Eine Bahnangestellte schmunzelte auf die Frage, warum die Fahrt in der Subway denn frei sei: „Bist Du gerade frisch angekommen?! Wir machen bald dicht.“

Zeitgleich mit dem Aus des öffentlichen Nahverkehrs stand auch die Schließung der New Yorker Flughäfen bevor. Wem es bis dahin nicht gelungen war, sich in Richtung Westen oder Europa abzusetzen, war zum Ausharren in den als Shelter bezeichneten Notunterkünften verurteilt. Die ohnehin meist ausgebuchten Hotels waren völlig überfüllt. Einige entschlossen sich, ihr Haus wegen des befürchteten Stromausfalls zu schließen und die Gäste vor die Tür zu setzen.

Ohnehin war in der Stadt, die angeblich nie schläft, außer der Spannung vor dem Sturm und den Drinks zum Wirbelsturm-Rabatt nicht mehr viel los. Keine Vorstellung mehr in den Theatern am Broadway, keine Sportveranstaltung, kein Konzert. Pech auch für die Fans der Dave Matthews Band, die sich schon vor Monaten Tickets für den Auftritt auf Governors Island im New Yorker Hafen gesichert hatten.

Das Wasser rund um Manhattan war schon tagsüber gespenstisch leer. Auf dem Hudson River fuhr kaum ein Boot, auch der Schiffsverkehr zur Freiheitsstatue ruhte. Die Mülleimer an der Uferpromenade waren entfernt, Parkgaragen in der Nähe des Hudson versuchten sich mit Sandsäcken zu schützen. Das Luxushotel Ritz Carlton am äußersten Südzipfel Manhattans verbarrikadierte die untere Etage mit Spanplatten.

Noch im Verlauf des Samstags wurden die ersten schweren Gewitter und Regengüsse im Vorlauf von „Irene“ erwartet. An der Wall Street hatten Mitarbeiter der New York Stock Exchange an ein paar Stellen Sandsäcke gestapelt, um etwaige Wassermassen von den Eingängen zu lenken. Am späten Samstagabend sollte dann der Wind aufdrehen und die Stadt, der Bürgermeister Bloomberg ab 21.00 Uhr (3.00 MESZ Sonntag) Ausgehverbot verordnet hat, mit um die 100 Stundenkilometer durchrütteln.

Für Sonntag sagte der Nationale Wetterdienst den New Yorkern Böen mit knapp 150 Stundenkilometern voraus. Nach letzten Berechnungen sollte „Irene“ die Stadt am Sonntag gegen 21.00 Uhr Ortszeit verlassen und sich auf den Weg nach Neuengland machen.