Report: Westerwelle schweigt sich in China aus
Peking (dpa) - Chinas Ministerpräsident ist ein höflicher Mann. Also hat sich Wen Jiabao gut vorbereitet, bevor er im Purpurglanz-Pavillon des Pekinger Regierungsviertels den Gast aus Deutschland in Empfang nimmt.
Freundlich erinnert er daran, wie er Guido Westerwelle schon 2004 das erste Mal begrüßen konnte, als dieser noch nicht Außenminister, sondern nur FDP-Vorsitzender war.
Das ist nett gemeint. Aber auf die Bemerkung, wie das Leben mit einem Job weniger sein kann, hätte Westerwelle an diesem Tag durchaus verzichten können. Während er sich 7365 Kilometer fern der Heimat um die Beziehungen zu China kümmert, läuft in Berlin schon der Kampf um seine Nachfolge.
Dem 49-Jährigen ist die Müdigkeit anzusehen. Er hat den langen Nachtflug in den Knochen, wegen der sechs Stunden Zeitunterschied nur schlecht geschlafen und muss immer wieder Krisentelefonate mit vermeintlichen und echten Parteifreunden führen. Aber anmerken lässt er sich nichts. Bei den Auftritten mit den chinesischen Gastgebern ist Westerwelle die Freundlichkeit in Person. Auch sonst wirkt er entspannt. So etwas lernt man in den vielen Jahren Politik.
Das Programm spult er ab wie geplant: Tee mit Wen Jiabao, Arbeitssitzung mit dem chinesischen Kollegen und als Höhepunkt die Eröffnung einer großen Ausstellung mit Kunst aus Deutschland im neu renovierten Nationalmuseum. Die Themen: Deutsch-chinesische Beziehungen, Atomkatastrophe in Japan, Krieg in Libyen. Auf den Machtkampf in der FDP geht Westerwelle überhaupt nicht ein, auch wenn die Gerüchteküche noch so brodelt.
In gewissem Maße erinnert die Situation an die Südamerika-Reise vor einem Jahr: Während Westerwelle damals von Chile nach Brasilien tourte, gab es ätzende Kritik an der Begleitung durch vermeintlich nach FDP-Nähe ausgewählte Unternehmer. Der Außenminister blieb still bis zum Schluss. Erst nach der Rückkehr auf deutschen Boden setzte er sich zur Wehr.
In China bleiben Westerwelle öffentliche Fragen nach dem Aufstand in seiner eigenen Partei weitgehend erspart. Das liegt vor allem daran, dass es kaum Gelegenheit dazu gibt. Die kommunistischen Gastgeber haben ein anderes Verständnis von Pressefreiheit: Pressekonferenzen finden keine statt. Außenminister Yang Jiechi lässt vor dem gemeinsamen Mittagessen ganze zwei Fragen zu, zum Stand der Beziehungen und zu Libyen. Das FDP-Thema bleibt Westerwelle erspart.
Einmal, am Rande des offiziellen Programms, wird der Außenminister aber doch um Auskunft gebeten, wie er den Zustand seiner Partei beurteilt. Die Antwort ist ganz knapp, dazu seltsam leise und matt: „Nein, danke.“ Man muss sich Mühe geben, Westerwelle zu verstehen.
Am Abend sitzt der Außenminister dann im Pekinger Staatstheater. Die Sächsische Staatskapelle Dresden gibt Beethovens Symphonie Nr.3, die „Eroica“. Er sagt weiter nichts. Aber aus seiner Umgebung verlautet, es gebe zu einem möglichen Rückzug vom FDP-Vorsitz „weder eine Entscheidung noch eine Vorentscheidung“. Eine solche Frage werde sicher nicht auf einer Asien-Reise entschieden. Am Samstag fliegt Westerwelle noch kurz nach Japan. Zurück in Berlin-Tegel ist er Sonntag früh.