Analyse Schwarz-rote Rentenformeln - wo die Gemeinsamkeiten enden

Berlin (dpa) - Einträchtig stecken Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) und Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) die Köpfe zusammen. Auf der Regierungsbank im Bundestag schauen sie genervt, als der Linken-Rentenexperte Birkwald vorrechnet, warum es ein Rentenniveau von 53 Prozent brauche.

Bei der Rente demonstrieren SPD und CDU im Vorwahlkampf noch ein Stück Gemeinsamkeit gegen die Opposition - doch sehr weit reicht die Harmonie nicht.

Vor dem Rentengipfel im Kanzleramt ist die Grundlinie zwischen SPD und CDU durchaus ähnlich, was Nahles und Spahn auch in fast identischen Formulierungen deutlich machen. Das Ausmaß von Altersarmut dürfe nicht überschätzt werden, so Nahles zur „Zeit“. „14 Prozent der Kinder leben von staatlicher Grundsicherung, bei den Menschen über 65 sind es nur drei Prozent.“ So hatte zuvor auch CDU-Mann Spahn argumentiert.

Und auch bei einzelnen Bereichen der Rente herrscht weitgehend Konsens. So wollen Union und SPD die Lage der Erwerbsgeminderten verbessern. Bei einem früheren Ausscheiden aus dem Job wegen Krankheit soll für die Rente voraussichtlich künftig so gerechnet werden, als habe man bis 65 gearbeitet - bisher werden 62 Jahre angenommen.

Auch andere, denen es im Alter nicht gut geht, sollen mehr bekommen. Nahles will Niedrigverdiener mit einer Solidarrente unterstützen. Im Gespräch ist ein Aufschlag auf die Grundsicherung - teuer, aber zumindest bekämen dann nur Bedürftige mehr, nicht alle Kleinrentner, selbst wenn sie wegen anderer Einkünfte in auskömmlichen Verhältnissen leben. Auch Selbstständige sollen sich besser absichern. Doch ob es für diese Gruppen nun schon einen Durchbruch gibt, ist unter anderem wegen der Milliardensummen, um die es geht, fraglich.

Ein konkreter Kompromiss denkbar ist bei der Ost-West-Angleichung der Renten. Hier geht es um die Stufen bis zur Renteneinheit - und vor allem die Frage, ob das die Beitrags- oder die Steuerzahler bezahlen sollen.

Fast fertig ausgehandelt sind in der Koalition auch die Pläne für mehr Betriebsrenten - schließlich soll der Stellenwert der Eigenvorsorge zusätzlich zur gesetzlichen Rente gestärkt werden. Denn das Grundproblem ist: Was tun, wenn immer mehr Babyboomer in Rente gehen und das Verhältnis von Einzahlern und Empfängern in Schieflage gerät?

Doch ausgerechnet hier - beim Kern der Sache - endet die schwarz-rote Einigkeit. Zu unterschiedlich sind die Ansichten etwa über die Lebensarbeitszeit - in der Union gibt es viele, die das Rentenbezugsalter an die steigende Lebenserwartung knüpfen wollen. Die SPD lehnt das ab, zu schmerzlich wirkt für die Sozialdemokraten der Ansehensverlust bei langjährigen SPD-Anhängern durch die Rente mit 67 nach.

Zwar ist die Nahles-Formel von der „doppelten Haltelinie“ für das künftige Rentenniveau und für die Beiträge mittlerweile auch bei der Union als grundsätzliches Ziel anerkannt. Doch es wäre eine handfeste Überraschung, könnte sich die Koalition jetzt auf Mindestwerte für die Rente und Höchstwerte bei den Beiträgen in 30 Jahren einigen. Nahles will ihre Vorstellungen dazu wenige Stunden nach dem Rentengipfel am Freitag präsentieren.

Und dann kommt er wohl doch, der wegen der Gefahren populistischer Versprechungen von Nahles und Kanzlerin Angela Merkel gefürchtete Wahlkampf ums Thema Rente. Zwar findet die aus der Union lancierte Idee einer neuen Expertenkommission nach dem Vorbild der einstigen Rürup- und der Herzog-Kommissionen immer mehr Unterstützung. Doch die Gewerkschaften wollen sich damit keineswegs zufriedengeben.

„Die Menschen erwarten jetzt konkrete Antworten beim Thema Rente, nicht erst in ein paar Jahren“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann einmal der „Passauer Neuen Presse“. Die Parteien büßten weiter Glaubwürdigkeit ein, wenn sie nach dem Motto vorgingen: „Wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis.“