dpa-Interview Seehofer fordert Groko bis Ostern - sonst Neuwahlen

München (dpa) - Spätestens bis Ostern muss nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer die große Koalition von Union und SPD im Bund stehen. „Ostern ist der allerspäteste Zeitpunkt, dann ist Anfang April.

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Sonst würde ich sagen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker“, sagte der 68-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. Nach den bisherigen Erfahrungen seit der Bundestagswahl könne er die Skepsis in der Bevölkerung gut verstehen.

Frage: Herr Seehofer, schon vor den Sondierungen mit der SPD heißt es, die CSU knickt mit möglichen Kompromissen beim Streitpunkt Familiennachzug vor der SPD ein. Was sagen Sie dazu?

Antwort: Ich sage als Vorsitzender der CSU, wir knicken nicht ein. Wir haben eine klare Vereinbarung mit der CDU. Deshalb bleibt unsere Forderung, dass der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte über März 2018 hinaus ausgesetzt bleiben muss. Würden wir den Familiennachzug zulassen, würden wir die Aufnahmefähigkeit unseres Landes massiv überfordern. Da geht es um eine Dreiviertelmillion Menschen - mehr als eine Viertelmillion subsidiär Schutzbedürftige und 500 000 andere mit Anspruch auf Familiennachzug.

Wir wollen die Familienzusammenführung von Menschen, die nur vorübergehend hier schutzberechtigt sind, in ihren Heimatländern und nicht in Deutschland. Das ist unsere Position. Wir haben als CSU einen sehr hohen Preis bezahlt für die Berliner Flüchtlingspolitik. Ich habe kaum Spielraum, jetzt noch einmal einen Preis zu zahlen.

Frage: Wie steht die CSU zur Forderung nach maximal 65 000 Zuwanderern von CDU-Vize Thomas Strobl?

Antwort: Wir haben mit der CDU die Obergrenze von 200 000 vereinbart, mit der Kanzlerin. Leider erst nach der Wahl, was aber nicht an uns lag. Wenn jetzt jemand eine Zahl nennt, die deutlich darunter ist, dann wird dies nicht auf die Kritik der CSU stoßen. Aber ich frage mich, ob die Urheber für die CDU reden.

Frage: Entscheidet sich an dem Punkt das Gelingen der Koalition?

Antwort: Wir sind jetzt im Sondierungsprozess. Und sie werden bei mir nicht erleben, dass ich beginne, rote Linien und Bedingungen zu stellen. Unsere Verhandlungsgrundlage bleibt, was wir den Wählern versprochen und was wir mit der CDU vereinbart haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch für die SPD Themen gibt, wo der Verhandlungsspielraum gering ist, weil sie bei ihren Wählern im Wort steht. Im Übrigen: Nach wie vor bedauere ich, dass Jamaika gescheitert ist, es wäre die richtige Antwort auf das Wahlergebnis gewesen. Es wäre eine höchst interessante Koalition gewesen mit neuen Akzenten in der Wirtschaft, beim Sozialen und in der Ökologie.

Frage: Hat die SPD einen Vorteil bei den Verhandlungen, weil die Union schon bei Jamaika ihre Schmerzgrenze offengelegt hat?

Antwort: Nein. CDU und CSU sind regierungsfähig und regierungswillig. Bei weiten Teilen der SPD wissen wir im Moment überhaupt nicht, ob auch sie regierungswillig sind. Die Sozialdemokraten sind ja in einem Findungsprozess - ein Teil fürs Regieren, ein Teil dagegen, und ein Teil wartet ab. Das sind deshalb schon keine einfachen Verhandlungen.

Ich hoffe, dass Martin Schulz und Andrea Nahles die Kraft aufbringen zur Führung, damit der gemeinsame Wille zu einer Regierungsbildung, die hoch notwendig ist für das Land, zum Tragen kommt. Dazu gehört auch ein Grundvertrauen, dass auch der Partner dafür wirbt. Und ich glaube, dieses Grundvertrauen ist jedenfalls bei den sechs Spitzen, den Partei- und Fraktionsvorsitzenden, da. Martin Schulz und Andrea Nahles haben uns mehrfach versichert, dass sie eine Regierungsbildung wollen und dass wir das anstreben. Darum bin ich zuversichtlich, dass es gelingen wird. Ich hoffe das inständig und ich möchte es auch.

Aber wir werden dafür alles tun, genauso wie andere, unsere Wahlversprechen umzusetzen. Wir können nicht unsere politische Glaubwürdigkeit an der Garderobe abgeben. Das wird mit der CSU nicht erfolgen. Das gehört auch zum gegenseitigen Grundvertrauen: dass man dem anderen einen solchen Preis nicht abverlangt. Für dieses Wahlergebnis haben alle drei Parteivorsitzenden die politische Verantwortung. Die Konsequenz sollte jetzt sein, politische Verantwortung so wahrzunehmen, dass man für das Land etwas Gutes daraus macht: eine Regierung mit großen Projekten für die Zukunft. Das wäre die richtige Antwort auf das schlechte Wahlergebnis von Union und SPD. Wir müssen ein sehr gutes Regierungsprogramm vorlegen, damit wir den Menschen sagen können, alle drei: Wir haben verstanden.

Frage: Wie wird die CSU mit dem Sondierungsergebnis umgehen?

Antwort: Wenn das Ergebnis das umsetzt, was wir im Bayernplan den Menschen versprochen haben, dann genügen die Zustimmung des Parteivorstandes, der CSU-Landesgruppe und der Landtagsfraktion. Wenn es da - was ich nicht glaube - problematische Vereinbarungen geben sollte, dann würde es auch bei uns nicht ohne Parteitag gehen.

Frage: Die Mehrheit der Bevölkerung glaubt nicht an eine Einigung vor Ostern - Sie auch?

Antwort: Ich verstehe die Skepsis der Bevölkerung nach den Erfahrungen seit der Bundestagswahl. Darum haben wir uns ja darauf verständigt, sehr effizient und in knapper Zeit mit der SPD zu verhandeln. Es darf auch nicht dieses tägliche Schaulaufen geben, wie es bei Jamaika der Fall war, einschließlich der Balkonbilder. Ostern ist der allerspäteste Zeitpunkt, dann ist Anfang April. Sonst würde ich sagen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker, wenn man in einer solchen Zeit keine Regierungsbildung zusammenbringt. An so etwas würde ich mich sehr ungern beteiligen. Ehrlich.

Ich bin froh, dass wir den Abschluss der Sondierungen bis zum 12. Januar vereinbart haben, dass die SPD am 21. Januar ihren Parteitag macht und dass wir dann im positiven Fall Ende Januar mit Koalitionsverhandlungen beginnen können. Dann haben wir bis Anfang April ausreichend Zeit, eine Regierung zu bilden. Alles andere wäre nicht Made in Germany.

Frage: Und wenn es scheitert bis dahin? Bleiben dann nur Neuwahlen?

Antwort: Neuwahlen sind besser als eine Minderheitsregierung.

Frage: Warum?

Antwort: Weil sonst die Opposition die Mehrheit hat. Die Union hätte dann zwar alle Minister, es wäre aber ein Pyrrhus-Sieg. Die Union wäre bald dort, wo die SPD heute ist. Das Profil der Union würde bei der Suche nach Mehrheiten kaum erkennbar sein, auch weil wir der Bevölkerung kaum erklären könnten, warum wir mit ständig wechselnden Partnern, der FDP, den Grünen und der SPD zusammenarbeiten.

ZUR PERSON: Horst Seehofer (68) ist seit 2008 bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef. Nach einem Machtkampf in seiner Partei will er Anfang 2018 seinen Regierungsposten an Markus Söder übergeben. Von 1992 bis 1998 war er Bundesgesundheitsminister und von 2005 bis 2008 Bundeslandwirtschaftsminister. Er ist seit 1971 Mitglied der CSU, zum zweiten Mal verheiratet und hat vier Kinder.