Separatisten nehmen strategische wichtiges Debalzewo ein
Debalzewo/Budapest (dpa) - Kremlchef Wladimir Putin hat die Ukraine zur Kapitulation in der im Osten des Landes umkämpften Stadt Debalzewo aufgerufen. „Die ukrainischen Offiziellen sollten ihre Soldaten nicht daran hindern, die Waffen niederzulegen“, sagte Putin bei einem Ungarn-Besuch.
Dann würde die vergangene Woche vereinbarte Waffenruhe auch Bestand haben. Putin betonte zugleich, zur Beilegung des Konflikts könne es „keine militärische Lösung“ geben. Dem Westen warf der russische Präsident vor, der Ukraine bereits Waffen zu liefern. Der UN-Sicherheitsrat forderte einstimmig die sofortige Einhaltung der Waffenruhe.
Debalzewo ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in der Region. Auch nach dem Inkrafttreten der Feuerpause in der Nacht auf Sonntag tobten dort Kämpfe. Tausende ukrainische Soldaten sollen eingekreist sein. Ukrainische Truppen und prorussische Separatisten warfen sich gegenseitig Verstöße gegen die Waffenruhe vor. Am Dienstag nahmen die Aufständischen Debalzewo nach erbitterten Gefechten weitgehend ein. Damit gab es knapp eine Woche nach dem Minsker Gipfel nur noch wenig Hoffnung auf baldigen Frieden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko rief die internationale Gemeinschaft auf, alles für eine Umsetzung der in der weißrussischen Hauptstadt vereinbarten Abmachungen zu tun.
Die Kämpfe bei Debalzewo seien von Anfang an absehbar gewesen, sagte Putin in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Insgesamt hätten die Kämpfe in der Ostukraine aber nachgelassen. Zugleich hielt er dem Westen vor, die Ukraine mit Waffenlieferungen zu unterstützen. Moskau verfüge über entsprechende Informationen. Aus Russland gelangen nach westlichen Angaben seit langem große Mengen Kriegsgerät zu den Separatisten.
„Nur ein paar Wohnviertel sind noch übrig, dann haben wir den Ort völlig unter Kontrolle“, sagte Separatistensprecher Eduard Bassurin am Dienstag zur Lage in Debalzewo. Er sprach von „zahlreichen Gefangenen und vielen Toten“. Die Militärführung in Kiew sagte, die Truppen in Debalzewo leisteten weiter Widerstand. Die Aufständischen setzten Artillerie und Panzertechnik ein.
Die Gefechte bei Debalzewo gelten als massiver Verstoß gegen das Friedensabkommen, das bei Verhandlungen unter anderem mit Bundeskanzlerin Merkel und Putin in Minsk geschlossen worden war. Danach sollten die Konfliktparteien eigentlich ab Dienstag ihre schweren Waffen aus dem Donbass abziehen. Auch verwehrten laut OSZE Separatisten den Beobachtern Zugang in die Region.
US-Vizepräsident Joe Biden drohte Russland „höhere Kosten“ an, sollte Moskau weiter gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen. Die Separatisten handelten bei Debalzewo im Einvernehmen mit Russland, hieß es in einer Mitteilung aus Bidens Büro. Er hatte zuvor mit Poroschenko telefoniert.
Der UN-Sicherheitsrat rief alle Seiten des Konflikts auf, die Ergebnisse des Minsker Gipfels zu respektieren und umzusetzen, hieß es in einer von den 15 Mitgliedern am Dienstag in New York einstimmig verabschiedeten Resolution. Russland hatte den Entwurf eingebracht.
Westliche Diplomaten werteten die Verabschiedung als Erfolg, weil sich der Sicherheitsrat darin erstmals ausdrücklich zu den Minsker Ergebnissen bekennt. Doch es gab auch Misstöne. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, etwa schrieb bei Twitter, Russland bringe eine Resolution zur Beendigung des Konflikts ein, gleichzeitig belagerten die von Russland bewaffneten Separatisten weiterhin Debalzewo.
Zwei US-Senatoren warfen Kanzlerin Merkel derweil „unentschuldbare“ Nachgiebigkeit gegenüber Russland vor. „Deutschlands Kanzlerin und Frankreichs Präsident legitimieren mit Unterstützung des US-Präsidenten erstmals in sieben Jahrzehnten die Aufteilung einer souveränen Nation in Europa“, schrieben die Republikaner John McCain und Lindsey Graham in einer am Dienstag in Washington verbreiteten Mitteilung. Es sei „unentschuldbar, an einem gescheiterten Waffenstillstandsabkommen festzuhalten“, während Russland und seine „Erfüllungsgehilfen“ die Kämpfe in der Ostukraine verschärften. Die Senatoren forderten erneut Waffenlieferungen an die Ukraine und zusätzliche Sanktionen gegen Russland.