Separatisten schießen zwei ukrainische Kampfjets ab
Den Haag/Charkow (dpa) - Sechs Tage nach dem Absturz der malaysischen Boeing in der Ostukraine sind die ersten Todesopfer in die Niederlande gebracht worden. Die Suche nach der Absturzursache von Flug MH17 ging weiter, während in der Ukraine prorussische Separatisten zwei Kampfjets der ukrainischen Luftwaffe abschossen.
Ein niederländisches Militärflugzeug brachte 14 Särge nach Eindhoven, wo König Willem-Alexander, Königin Máxima und Ministerpräsident Mark Rutte warteten.
Die Regierung in Den Haag rief für Mittwoch einen Tag der nationalen Trauer aus. Es war das erste Mal seit mehr als 50 Jahren. Alle Fahnen wehten auf halbmast.
Eine australische Militärmaschine transportierte weitere Opfer in die Niederlande. Bei dem Absturz der Boeing 777-200 der Malaysia Airlines waren am vergangenen Donnerstag 298 Menschen aus zehn Ländern getötet worden, darunter 193 Niederländer. Auch vier Frauen aus Deutschland kamen ums Leben.
Bei Sneschnoje etwa 80 Kilometer östlich von Donezk schossen die Separatisten zwei ukrainische Maschinen vom Typ Suchoi SU-25 ab. Das teilten die Führung und Kiew sowie die Aufständischen übereinstimmend mit. Nach Rebellenangaben wurde ein Pilot tot gefunden. Bereits am Vortag habe die „Volkswehr“ bei Lugansk zwei Suchoi-Jets abgeschossen, behauptete ein Sprecher.
Die Aufständischen haben in den vergangenen Wochen mehrere Militärflugzeuge abgeschossen, auch Kampfjets. Die Ukraine und die westlichen Länder verdächtigen die Separatisten, auch die Boeing mit einer Boden-Luft-Rakete zerstört zu haben.
Die Ermittlungen nach dieser Katastrophe gingen an mehreren Orten weiter. Offiziell leiten die Niederlande das Verfahren. Die Flugschreiber der Boeing wurden zur Untersuchung nach Farnborough in Südengland gebracht. In der Ukraine überprüfte der Geheimdienst SBU den Funkverkehr zwischen Flutlotsen am Boden und den MH17-Piloten. Moskau warnte daraufhin vor einer möglichen Verfälschung des Materials.
Vor dem Abflug aus Charkow nahmen ausländische und ukrainische Vertreter in einer kurzen Zeremonie Abschied von den Toten. Ukrainische Soldaten in Paradeuniform trugen die Särge zu den Flugzeugen. Bis Freitag sollten alle gefundenen Opfer ausgeflogen werden, berichtete der niederländische Rundfunk. Die Leichen waren am Dienstag in einem Sonderzug aus dem Rebellengebiet nach Charkow gebracht worden, das von der Kiewer Regierung kontrolliert wird.
Unklarheit herrschte jedoch darüber, wie viele Opfer in diesen Kühlwaggons waren. An der Absturzstelle müsse die Suche fortgesetzt werden, zitierte der britische Sender BBC den Forensiker Jan Tuinder. Nach Angaben der Separatisten wie der Kiewer Regierung sind 282 Leichen und 87 Leichenteile geborgen worden. Die Rebellen schlossen aber am Mittwoch nicht aus, dass 16 Leichen noch nicht gefunden worden seien. Für diesen Fall stehe ein weiterer Kühlwaggon bereit.
Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und malaysische Experten untersuchten auch am Mittwoch die Unglücksstelle. Moskau kritisierte, dass die ukrainische Luftwaffe Angriffe nahe der Stelle fliege. Eigentlich wollen Kiew wie die Separatisten im Umkreis die Waffen schweigen lassen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf der russischen Führung und den Separatisten weiter mangelnde Kooperation vor. Der Kreml zeige wenig Interesse an umfassender Aufklärung des Flugzeugabsturzes, erklärte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin für die Kanzlerin, die derzeit im Urlaub ist. Russland wirke nicht ausreichend mäßigend auf die bewaffneten prorussischen Gruppen ein. Diese würden zum Teil von Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes geführt. Die EU bereitet weitere Sanktionen gegen Russland vor.
Der US-Geheimdienst hat nach Regierungsangaben bislang keine Beweise für eine direkte Beteiligung Russlands an dem mutmaßlichen Abschuss. Bisherigen Erkenntnissen zufolge sei die Malaysia-Airlines-Maschine von den Separatisten mit einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden, sagten US-Geheimdienstler. Die Rebellen hätten aber wahrscheinlich nicht beabsichtigt, die in 10 000 Meter Höhe fliegende Zivilmaschine abzuschießen.
In der Ukraine lehnte Präsident Petro Poroschenko trotz verlustreicher Gefechte zwischen Armee und prorussischen Separatisten eine Verhängung des Kriegsrechts erneut ab. Nach der Teilmobilmachung der Bevölkerung sehe er die Streitkräfte kampfbereit. „Außerdem liefert der Internationale Währungsfonds nicht an Länder im Kriegszustand - und wir brauchen das Geld“, sagte der Staatschef. Am Dienstag hatten mehrere Abgeordnete erneut das Kriegsrecht gefordert.