Fragen und Antworten Sicherer Gipfel, brennendes Viertel: Polizei in der Kritik

Hamburg (dpa) - Anfangs stand die Polizei beim G20-Gipfel wegen ihre angeblich zu harten Linie in der Kritik. Nach der zweiten heftigen Krawallnacht mit Brandstiftungen und Plünderungen musste sie sich den Vorwurf gefallen lassen, sie habe zu zögerlich reagiert.

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Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeisprecher Timo Zill verteidigen den Einsatz. In der Diskussion geht es um folgende Punkte:

Wie erklärt sich die vergleichsweise geringe Zahl von Festnahmen?

Polizeisprecher Zill betonte, dass die Beamten den Brennpunkt Schanzenviertel umstellt hatten. Bevor sie hineingehen konnten, hätten sie sich gut vorbereiten müssen, weil ihnen Gefahr für Leib und Leben drohte. „Wir haben es alle so erlebt, dass der Zeitraum bis zum Vorrücken sehr lange war“, sagte Innensenator Grote. Offenbar hatten Straftäter Zeit, sich zu entfernen. Grote hatte am Freitag auf die Frage nach einem schnelleren Eingreifen erklärt: „Wir laufen jetzt nicht jedem einzelnen Vermummten hinterher.“

In der Krawallnacht zum Samstag wurden laut Polizei 43 Menschen fest- und 96 in Gewahrsam genommen. Der Vorwurf laute zumeist Landfriedensbruch oder schwerer Landfriedensbruch, sagte Zill. Grote sprach von über 260 Fest- und Ingewahrsamnahmen seit Beginn des Einsatzes. Die extra für den Gipfel eingerichtete Gefangenensammelstelle im Stadtteil Harburg hatte Kapazität für 400 Menschen.

Die linksextreme Szene selbst frohlockte auf ihrer Seite indymedia.org: „Die Zahl der Fest- oder Ingewahrsamnahmen ist überraschend niedrig, daher muss daran gearbeitet werden, dass dies so bleibt.“

Welche Nationalitäten hatten die Täter?

Genaue Angaben liegen dazu nicht vor. Nach Angaben von Grote waren unter den Festgenommenen nicht nur Hamburger. Auch Ausländer seien gefasst worden. Nach dem Eindruck von Beobachtern waren unter den linksextremen Demonstranten viele Ausländer, sie dominierten die Proteste aber nicht.

Wie groß sind die Chancen, Täter im Nachhinein zu ermitteln?

Die Polizei habe verdeckte Maßnahmen getroffen und der Staatschutz ermittele noch, sagte Zill. Die Polizei bat Zeugen, die Straftaten mit dem Handy gefilmt haben, ihre Aufnahmen auf einem Hinweisportal der Polizei hochzuladen (http://www.hh.hinweisportal.de).

Die Polizei hat den Tagungsort und die Elbphilharmonie schützen können - hat sie dafür andere Teile der Stadt preisgegeben?

Dieser Vorwurf wird von Anwohnern im Schanzenviertel und von Medien erhoben. Manches spricht dafür, auch wenn Grote und Zill das zurückwiesen. Die Polizei habe im Schanzenviertel nicht vorrücken können, erklärten sie. Erst hätten sich Spezialeinheiten vorbereiten müssen, denn es hätten Informationen vorgelegen, wonach Autonome Gehwegplatten und Molotowcocktails von Hausdächern auf Beamte werfen wollten.

Der Senator räumte indirekt aber auch ein, dass die Polizei am Freitagmorgen in Altona wegen Überlastung nicht umgehend reagieren konnte. Die Autonomen seien sehr schnell unterwegs gewesen und hätten eine Spur der Verwüstung und Brandschatzung gezogen. Die Polizei habe Zeit zum Reagieren gebraucht, „weil wir natürlich an vielen anderen Stellen der Stadt auch gefordert waren“, sagte Grote. Er zeigte sich zugleich zufrieden, dass alle Versuche, in die Sicherheitsbereiche des Gipfeltreffens oder in die Transferstrecken der Teilnehmer einzudringen, verhindert worden seien. „Der ganze Gipfel ist vom Programm her reibungslos abgelaufen.“

Gab es nur Angriffe auf Sachen oder auch auf Menschen:

Einige Polizisten seien im Schanzenviertel mit Stahlkugeln beschossen worden, sagte Zill. „Es gibt Polizeibeamte mit entsprechenden Fleischwunden.“

Wie viele Verletzte gab es?

Bis Samstagvormittag wurden nach Angaben von Senator Grote bei dem G20-Einsatz mehr als 200 Beamte verletzt. Zur Zahl der verletzten Demonstranten konnten weder Polizei noch Feuerwehr Angaben machen.

Wurde die Lage im Vorfeld des Gipfels unterschätzt?

Die Äußerungen von Innensenator Grote legen diesen Eindruck nahe. Die Polizei habe mit einem erheblichen Gewaltpotenzial gerechnet und sich auf alle erwartbaren Szenarien vorbereitet, sagte er. Aber: „Dieses Ausmaß an entfesselter, hemmungsloser, brutalster Gewalt (...), das ist etwas, was wir in dieser Konkretheit und in dieser kriminellen Qualität, glaube ich, nicht erwartet hatten.“

Wird sich die Lage nach der Abreise der Staatschefs beruhigen?

Grote hielt es für möglich, dass nach dem offiziellen Ende des Gipfels auch die gewaltbereiten Extremisten schnell abreisen. Die Polizei werde das „sehr eng begleiten“ und auch kriminalpolizeilich beobachten, betonte er.