Brand bretete sich schnell aus SOS mit Taschenlampen: Flammen-Inferno im Hochhaus

London (dpa) - Wie eine riesige brennende Fackel ragt der Grenfell Tower in den Londoner Himmel. Schreiende Menschen stehen an den Fenstern des 24 Stockwerke hohen Gebäudes. Sie blinken verzweifelt mit Taschenlampen, um auf sich aufmerksam zu machen.

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Winken mit Handtüchern. Rufen per Handy um Hilfe.

Doch viele von ihnen können dem Flammenmeer im Stadtteil Kensington nicht mehr entkommen. „Ich habe mehrere Leute aus dem Fenster springen sehen“, sagt eine 37-jährige Nachbarin der Deutschen Presse-Agentur. „Die Leute haben an die Fenster geklopft. Sie haben sogar mit Weihnachtsbeleuchtung gewunken und um ihr Leben geschrien.“ Das Feuer brach in der Nacht zum Mittwoch aus, als viele Bewohner in dem Koloss schliefen.

Andere berichten, dass Eltern - von Flammen umzingelt - ihre Kinder in die Tiefe geworfen haben. Ein Baby soll auf diese Weise gerettet worden sein. Das Schicksal der anderen Kinder ist ungewiss.

„Eine meiner Freundinnen wohnte mit ihrer Tochter in dem Haus. Sie rief mich um 1.30 Uhr an und schrie es brennt hier“, sagt Marie Muszingwa (38), die seit 25 Jahren in dem Haus direkt nebenan wohnt. Sie habe ihr gesagt, sie solle frische Kleidung mitnehmen und um ihr Leben laufen. Seitdem habe sie ihre Freundin nicht mehr erreichen können. „Ich will noch nicht von dem Schlimmsten ausgehen.“

Die Hilfsbereitschaft nach der Katastrophe ist enorm. Die Menschen applaudieren Feuerwehrleuten, die aus der Absperrung kommen. Auf der Straße stehen Tische, auf denen Spenden liegen. Helfer tragen Matratzen, die Anwohner zur Verfügung stellen, ins Gemeindehaus.

Es gibt Tote und viele Verletzte - die Polizei geht davon aus, dass noch mehr Leichen in dem Sozialbau gefunden werden. Die Feuerwehr hat Probleme, den Brand zu löschen. Noch viele Stunden nach dem Ausbruch des Feuers schlagen Flammen aus dem Gebäude. Trümmer fallen in die Tiefe. Hin und wieder ist ein Knall zu hören. Eine dicke Rußschicht legt sich in der Umgebung ab. Manche Klumpen sind faustgroß.

Eine andere Augenzeugin berichtet, das ganz Gebäude habe in relativ kurzer Zeit lichterloh gebrannt. „Ich habe viele Leute gesehen, die mit Laken am Fenster standen.“ Das Schlimmste für sie selbst und viele andere Nachbarn sei gewesen: „Wir konnten einfach nichts tun.“

Marie (26) und Nel (22) aus der Nachbarschaft verteilen selbstgemachte Butterbrote an Helfer und Betroffene. Freunde von ihnen hatten Wohnungen im Hochhaus. Alle haben sich gemeldet - bis auf einen. „Er ist höchstwahrscheinlich tot“, sagt Nel.

Im Grenfell Tower mit seinen 120 Wohnungen soll es bereits Beschwerden über unzureichenden Feuerschutz gegeben haben. „Ich bin sauer, jeder in dem Block wusste, dass es Sicherheitsbedenken gab“, berichtet Marie. Einige Anwohner sagen, es habe keinen Notausgang gegeben, andere monieren das Fehlen von Feuermeldern. Eigentlich wird der Brandschutz in Großbritannien sehr ernst genommen.

Polizei und Feuerwehr warnen eindringlich vor Spekulationen. „Wir werden in den kommenden Stunden und Tagen sorgfältig nach der Ursache des Feuers suchen und ermitteln, was passiert ist“, sagt Londons Feuerwehrchefin Dany Cotton. Die Baufirma, die das Gebäude kürzlich sanierte, teilt mit: Alle Kontrollen, Bestimmungen im Brandschutz und sonstigen Sicherheitsstandards seien eingehalten worden.

Die Polizei hat das Areal in der Nähe des Hyde Parks weiträumig abgesperrt. Auf Rasenflächen sind völlig erschöpfte Feuerwehrleute zu sehen, die eine kleine Trinkpause einlegen. Ein Elfjähriger steht mit seinem Vater vor den Absperrbändern und blickt verängstigt auf das Hochhaus, dessen Fassade pechschwarz ist. Er vermisst seinen Freund.

Eine 45-Jährige aus der Nachbarschaft zeigt sich schockiert: „Diese Flammen, so etwas habe ich noch nicht gesehen“, sagt sie. „Das hat mich an (den New Yorker Terroranschlag) 9/11 erinnert.“ Ein Angriff von Extremisten auf ein Hochhaus? Das schließt Scotland Yard auf Anfrage klar aus. Doch London ist sensibilisiert. In Großbritannien hat es binnen drei Monaten drei Terroranschläge gegeben.