Strippenzieher und Machtpolitiker: Brasiliens Vize Temer
Brasilia (dpa) - Michel Temer ist bisher der Mann im Schatten von Präsidentin Dilma Rousseff, könnte aber bald Brasilien zumindest übergangsweise führen.
2010 traten Temer und seine Partei, die demokratische Bewegung Brasiliens, (PMDB) in einem Wahlbündnis mit Rousseffs linker Arbeiterpartei an, seit dem Wahlsieg ist er Vizepräsident. Seit 2001 führt er die PMDB, eine Partei, die bereits mit unterschiedlichen Parteien koaliert und es sich zum Ziel gesetzt hat, möglichst viele Ämter zu besetzen, statt in die Opposition zu gehen.
Temer ist bestens vernetzt, war auch schon zwei Mal Präsident des Abgeordnetenhauses und arbeitete an Brasiliens Verfassung mit. Aber auch er ist nicht unumstritten, in Umfragen hat er keinen großen Rückhalt. Der 75-Jährige versuchte sich aus dem Abrücken seiner Partei von Rousseff und der Arbeiterpartei öffentlich rauszuhalten, auch weil er im Zuge des Amtsenthebungsverfahren die Amtsgeschäfte übernehmen könnte. So sagte er beim jüngsten PMDB-Kongress, „es ist jetzt nicht die Stunde, die Brasilianer zu spalten.“
Aber Kritiker werfen ihm vor, hinter den Kulissen nur für seinen Machtgewinn zu kämpfen. So machte per WhatsApp eine von ihm schon vorbereitete Audio-Botschaft an die Nation für den Fall seines Aufrückens an die Staatsspitze die Runde. Die PMDB sprach von einer Panne.
Temer entstammt einer katholischen Familie aus dem Norden des Libanon, die 1925 nach Brasilien emigrierte. Sein Vater war in Tietê im Bundesstaat São Paulo im Kaffee- und Reisgeschäft tätig.
Temer studierte in São Paulo Rechtswissenschaften und promovierte zur Verfassungsgeschichte Brasiliens. Er ist mit der 32 Jahre alten Marcela Temer verheiratet, mit der er einen Sohn hat. Aus einer anderen Ehe und einer Beziehung stammen vier weitere Kinder.
Angesichts seiner Machtstellung im fünftgrößten Land der Welt bezeichnete ihn das Magazin „Executive“ als „den mächtigsten lebenden Libanesen der Welt“. Als größten politischen Erfolg bewertete er in dem Magazin die deutliche Reduzierung der Armut in Brasilien. „Heute sind 40 Millionen mehr Menschen Teil der Mittelklasse, einer unteren Mittelklasse, aber sie müssen nicht mehr in Armut leben.“