Taifun stürzt Philippinen ins Chaos

Manila (dpa) - Als einer der gewaltigsten Taifune der Geschichte hat „Haiyan“ nach ersten Schätzungen mehrere tausend Menschen auf den Philippinen in den Tod gerissen. Millionen wurden in Not und Verzweiflung gestürzt.

Am Freitag hatte „Haiyan“ eine Schneise der Verwüstung gezogen. Zerstörungen an Flugplätzen, Häfen und Straßen behinderten am Sonntag die Hilfe. Die Bilder der Katastrophe erinnern an den Tsunami 2004. Hunderttausende Menschen standen am Sonntag in Trümmerwüsten. Viele plünderten in der zerstörten Stadt Tacloban Geschäfte. In Deutschland machten sich erste Hilfsteams auf den Weg.

Die philippinischen Lokalbehörden fürchteten tausende Tote. Der Polizeichef in Tacloban nannte 10 000 Todesopfer, aber die Regierung wollte das nicht bestätigen. „Die Zahlen sind alarmierend“ sagte Präsident Benigno Aquino. „Unsere Priorität sind aber die Überlebenden.“ Nach Angaben der Regierung brauchen 4,3 Millionen Menschen Hilfe. 800 000 waren geflüchtet, viele von ihnen dürften ihr Hab und Gut verloren haben. 330 000 harrten in Notunterkünften aus. „Verzweifelt nicht, die Hilfe ist auf dem Weg“, beschwor Aquino seine Landsleute bei einem Besuch in Tacloban.

Außenminister Guido Westerwelle kündigte als ersten Schritt 500 000 Euro Soforthilfe an. Deutschland sei auch zu weiterer Hilfe bereit. Er könne „noch keine präzisen Auskünfte“ zu betroffenen Deutschen in der Region geben und bat dort lebende Deutsche und Besucher, Kontakt mit den Botschaften aufzunehmen. Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und viele Hilfsorganisationen riefen zu Spenden auf. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, äußerte sich in einer Mitteilung bestürzt über die Katastrophe.

Vom Frankfurter Flughafen aus wurden am Sonntag 25 Tonnen Hilfsgüter auf die Philippinen geflogen. An Bord der Lufthansa-Maschine waren nach Unternehmensangaben mehr als 5000 Decken, 3000 Zelte sowie Medizintechnik. Die Ankunft in Manila war am späten Abend (MEZ) geplant. Das Hilfspaket sei gemeinsam mit den Organisationen World Vision und I.S.A.R Germany geschnürt worden. Ein Flugkapitän habe angeregt, ungenutzten Frachtraum in der Maschine kostenlos zur Verfügung zu stellen. Auch Experten des Technischen Hilfswerks THW waren auf dem Weg.

Die Katastrophenbehörde aus Eastern Samar östlich von Tacloban meldete 300 Tote und 2000 Vermisste. Auch auf den Inseln weiter westlich war die Zerstörung verheerend, wie Fotos zeigten. Ganze Ortschaften waren dem Erdboden gleichgemacht. „Wir haben die Bergung der Leichen angeordnet und werden sie in Massengräbern beisetzen“, sagte Präsident Aquino. „Weil sie ein Gesundheitsrisiko darstellen.“

Die Katastrophenhelfer stehen vor einer gigantischen Aufgabe: Flughäfen sind zerstört, Hafenanlagen beschädigt, Straßen verschüttet oder mit entwurzelten Bäumen übersät. Kilometerlange Trümmerwüsten machen die Verteilung der Hilfsgüter zu einem logistischen Alptraum. Hunderttausende Menschen warteten dringend auf Hilfe.

Abgelegene Ortschaften waren auch am Sonntag noch von der Außenwelt abgeschnitten. Von dort lagen keine Informationen vor. Am Abend ein erster Lichtblick: Ein Funkturm für Handy-Signale wurde in Tacloban repariert und machte erste Kommunikation möglich, wie Einwohner per Twitter berichteten.

In Tacloban mit 220 000 Einwohnern hatte der Taifun am Freitag eine meterhohe Sturmflut verursacht, die riesige Frachtschiffe Hunderte Meter weit ins Land spülte. Das Hochwasser riss alles mit: Hütten, Container, Ölkanister, Autos, Dächer, Häuserwände. Nachdem das Wasser abgelaufen ist, zeigt sich ein Bild des Grauens: inmitten der trostlosen Geröllhaufen weht ein rosafarbener Sonnenhut im Wind, ein orangefarbenes Sofakissen liegt zwischen Holzlatten. Überall sind Plastikteller verstreut, und jede Menge Gummilatschen.

Dazwischen laufen Menschen rum, teils barfuß, die nach Verwertbarem suchen: Konservendosen, Trinkwasserflaschen oder Holzleisten und Planen, um sich für die Nacht ein Dach über dem Kopf zu bauen. Entlang der Straßen liegen Leichen, mit Planen oder Betttüchern abgedeckt. Familien mit Kleinkindern kauern unter Zeltplanen, die sie notdürftig als Dach aufgespannt haben. Tausende Menschen suchen verzweifelt nach Familienmitgliedern.

20 Kilometer südlich der Stadt wird ein Lasterwagenkonvoi mit Versorgungsgütern gestoppt und geplündert, sagte Rotkreuz-Chef Richard Gordon. Die Notpakete hätten 5000 Familien versorgen sollen. Ein Ladenbesitzer steht mit gezückter Pistole vor seinem Laden, um Plünderer abzuschrecken. „Es ist chaotisch in Tacloban“, sagte Roger Marcado, Gouverneur der Nachbarprovinz Southern Leyte.

Präsident Aquino zeigte sich verärgert, dass die Katastrophenschutzbehörden trotz Wetterwarnungen nicht mehr Menschen besser geschützt haben, wie ein lokaler Radiosender berichtete.

Auf dem Weg nach Vietnam schwächte der Taifun sich am Sonntag deutlich ab. Er drehte zudem Richtung Norden. Er sollte nun am Montag die Küste erreichen, allerdings nur noch als tropischer Sturm. Hunderttausende Menschen, die bereits in Sicherheit gebracht worden waren, durften in ihre Häuser zurückkehren.