Trauer um Anja Niedringhaus: „Werden sie furchtbar vermissen“

Kabul (dpa) - Die deutsche Foto-Reporterin Anja Niedringhaus (48) hatte jahrelange Erfahrung in Afghanistan, im Irak und in anderen Kriegs- und Krisengebieten. Dasselbe gilt für ihre kanadische Text-Kollegin Kathy Gannon (60).

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Für die US-Nachrichtenagentur AP sollten beide über die Präsidentenwahl in Afghanistan am Samstag berichten. Niedringhaus wurde am Freitag erschossen - von einem afghanischen Polizisten. Gannon überlebte schwer verletzt.

Der Wagen der Reporterinnen war Teil eines Wahlkonvois, der in der Unruheprovinz Chost Wahlzettel ausliefern sollte. Sie warteten in einem Distrikt an der pakistanischen Grenze auf die Abfahrt, als ein Polizist mit seinem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf das Auto zulief. Ein Begleiter der Frauen, ein freier Mitarbeiter von AP Television, berichtete, der Polizist habe mit den Worten „Allahu Akbar“ (Gott ist Groß) das Feuer auf die Frauen auf der Rückbank eröffnet.

Der Todesschütze, der eine Polizeieinheit befehligt haben soll, wurde festgenommen und wird nach Angaben des Innenministeriums verhört. Die Taliban haben zwar angedroht, die Wahl mit allen Mitteln anzugreifen. Dennoch beeilten sich die Aufständischen am Freitag, jede Verantwortung für die Tat zurückzuweisen. Auch wenn den Aussagen der Taliban selten Glauben zu schenken ist, ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um einen Einzeltäter handelte.

Afghanische Polizisten und Soldaten haben in den vergangenen Jahren mehrfach Angehörige der internationalen Truppen gezielt getötet - als Taliban-Schläfer in den Sicherheitskräften, aber auch als Einzeltäter. Im Militärjargon werden diese Angriffe „Green on Blue“ genannt - in Abwandlung von „Blue on Blue“, wenn Nato-Soldaten versehentlich auf Verbündete schießen. Ausländische Journalisten waren bislang aber nicht zum Ziel solcher Attentate geworden.

Auch wenn der Attentäter vom Freitag aus eigenem Antrieb heraus gehandelt haben sollte: Das ohnehin nicht besonders große Vertrauen in die afghanischen Sicherheitskräfte, die wegen der Bedrohungslage vor der Wahl fast überall präsent sind, hat weiter Schaden genommen.

Journalisten fühlten sich früher in Afghanistan in der Regel nicht als Teil des Konflikts, sondern als neutrale Beobachter akzeptiert - auch von den Taliban. Die Gefahr bestand zwar, zufällig in einen Anschlag der Aufständischen zu geraten. Auch Entführungen gab es. Reporter wurden aber meist nicht gezielt ermordet.

In jüngster Zeit hat sich das geändert. Der Angriff ist bereits der dritte innerhalb von weniger als einem Monat, bei dem Journalisten in Afghanistan getötet wurden. So wurde der schwedische Korrespondent Nils Horner am 11. März auf offener Straße in der Hauptstadt Kabul mit einem Kopfschuss ermordet. Zwar bekannte sich eine extremistische Splittergruppe zu der Tat, die Horner einen britischen Spion nannte. Belastbare Erkenntnisse zu den Hintergründen liegen aber nicht vor.

Am 20. März stürmte ein Taliban-Selbstmordkommando das Restaurant des Serena-Hotels in Kabul, in dem das afghanische Neujahr gefeiert wurde. Unter den neun getöteten Zivilisten war der Reporter Sardar Ahmad, der seit Jahren für die französische Nachrichtenagentur AFP arbeitete. Auch Ahmads Ehefrau und zwei seiner Kinder - drei und fünf Jahre alt - wurden von den jugendlichen Angreifern erschossen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) forderte am Freitag Schutz von der afghanischen Regierung für Journalisten.

Niedringhaus wurde 2005 nicht nur mit dem Pulitzer-Preis, sondern auch mit einer Auszeichnung für „Mut im Journalismus“ geehrt. In einer Mitteilung von AP-Präsident Gary Pruitt an die Mitarbeiter der Agentur hieß es am Freitag, Journalismus sei ein Beruf für mutige und leidenschaftliche Menschen, die die Welt fair und genau informieren wollten. „Anja Niedringhaus hat diese Definition in jeder Weise erfüllt. Wir werden sie furchtbar vermissen.“