Reaktion nach langer Wartezeit Trumps Antwort auf Charlottesville: Weder „Feuer“ noch „Wut“

Washington (dpa) - Bisher ist Donald Trump fast immer für das kritisiert worden, was er gesagt hat. Diesmal ist es umgekehrt: Über die Parteigrenzen hinweg gibt es Empörung über das, was er ausgelassen hat.

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Die Reaktionen und Emotionen sind so heftig, dass manche Medien schon von einem neuen Tiefpunkt seiner Präsidentschaft sprechen.

Trumps mehr als laue Reaktion auf die Eskalation der Gewalt bei der Demonstration von Rechtsextremisten in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia fiel umso stärker auf, weil der Republikaner just in den vergangenen Tagen in der Nordkorea-Krise wieder rhetorisch-bombastisch alle Register gezogen hatte. Derart, dass andere - von Chinas Xi Jinping bis Frankreichs Emmanuel Macron - neben Nordkorea auch Trump zur Mäßigung aufriefen und sogar sein eigener Außenminister abwiegeln musste.

Jetzt hätten sich viele in seiner Reaktion etwas von dem „Feuer“ und der „Wut“ gewünscht, mit der er Pjöngjang gedroht hat. Stattdessen wachte er Sonntag mit Schlagzeilen wie dieser auf: „Trump babbelt im Angesicht einer Tragödie.“ Das war die Überschrift eines Meinungsartikels in der „Washington Post“. Nicht jeder Präsident sei gleichermaßen gut darin, in schweren Zeiten die Nation zu einen, zu trösten, moralische Klarheit in der Mitte von Konfusion zu vermitteln, hieß es darin. „Aber bisher war keiner unfähig dazu. Bis Donald Trump.“

Kritiker haben ihm schon seit langem Herumeierei angelastet, wenn es darum geht, die Ultraechte zu verurteilen - die ihn gewählt hat, aus seinem Sieg eine neue Legitimation ableitet und das auch am Samstag in Charlottesville demonstrierte. Manche kamen mit Trump-Plakaten, und der ehemalige Ku-Klux-Klan-Führer David Duke erklärte vor laufenden Kameras, das hier sei ein „Wendepunkt“ für eine Bewegung, die „die Versprechen von Donald Trump erfüllen“ wolle.

Duke ist jener Mann, zu dessen Unterstützung Trump auf Journalistenfragen einst sagte, er kenne „Herrn Duke“ nicht. Erst später beschrieb er ihn als „schlechte Person“ und erteilte ihm eine Absage.

Am Samstag fiel zuerst auf, wie quälend langsam Trump reagierte. Szenen von Rechtsextremisten, die auf Gegendemonstranten einprügelten, teils mit Ku-Klux-Klan-Hauben, Konföderierten-Fahnen und Knüppeln zu der Kundgebung kamen, waren längst über Bildschirme geflimmert, da begannen die ersten TV-Moderatoren zu fragen: Was macht denn Trump? Dann ließ der Präsident erst einmal First Lady Melania den Vortritt, die twitterte: „Unser Land ermutigt zu freier Meinungsäußerung, aber lass uns ohne Hass in unseren Herzen kommunizieren. Nichts Gutes entsteht aus Gewalt.“

Dann folgte Paul Ryan, der Top-Republikaner im Abgeordnetenhaus, der deutlicher wurde, die Gewalt in Charlottesville als „widerwärtig“ bezeichnete. „Lasst sie nur dazu dienen, die Amerikaner gegen diese Art von abscheulicher Bigotterie zu einen.“ Und mit solchen Reaktionen ging es weiter, Schlag auf Schlag.

Virginias Gouverneur Terry McAuliffe hatte bereits den Ausnahmezustand für Charlottesville erklärt, da hatte sich Trumps sonst so reger Twitterfinger immer noch nicht bewegt. Als er es schließlich tat, kam das heraus: „Wir ALLE müssen zusammenstehen & alles verurteilen, für das Hass steht. Es gibt keinen Platz für diese Art von Gewalt in Amerika.“ Das Wort Rechtsextremisten oder Rassisten fiel nicht.

Später, in einer Rede, machte er es noch schlimmer. Nicht nur schien er geradezu darauf bedacht, die Dinge nicht beim Namen zu nennen, sondern versuchte, „die Gewalt als eine chronische überparteiliche Plage zu porträtieren“, wie es die „New York Times“ formulierte. Trump verurteilte den Hass und die Bigotterie „auf vielen Seiten“. Das Problem gehe „seit einer langen Zeit in unserem Land vor. Nicht Donald Trump. Nicht Barack Obama“.

Der Präsident habe sich darauf bezogen, dass es in Charlottesville Gewalt zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten gegeben habe, versuchte eine Sprecherin des Weißen Hauses später diese Äußerung zu erklären - und gab Kritikern damit noch mehr Wasser auf die Mühlen. So verwies die „New York Times“ darauf, dass Trump, „das Produkt einer vermögenden, überwiegend weißen Enklave in Queens“, einst Geld für eine ganzseitige Anzeige in der Zeitung ausgegeben habe, in der die Todesstrafe für fünf schwarze Teenager gefordert wurde - junge Leute, die wegen Vergewaltigung einer weißen Frau verurteilt worden seien und deren Unschuld sich später später herausgestellt habe.

Andere erinnerten daran, dass Trump mehr als einmal Kritik an eigenen Retweets von weißen Rassisten beiseite gewischt habe. Oder wie er damals, als ein enger Mitarbeiter ein Bild von Hillary Clinton mit einem Davidstern nahe ihrem Kopf auf seinem Twitter-Konto postete, Vorwürfe des Antisemitismus empört zurückwies. Wie eilfertig er bei Terroranschlägen im Ausland immer die Dinge - sprich radikalen Islam - beim Namen nennt, etwa bei solchen, bei denen Autos als Waffe eingesetzt wurden. Wie jetzt von einem mutmaßlichen Rechtsextremisten in Charlottesville.

Aber was in Trumps Äußerungen fehlte oder bestenfalls schräg war, spiegelte sich wohl am besten in Reaktionen auf der Neonazi-Webseite „The Daily Stormer“ wider. Da wurde bejubelt, dass Trump praktisch nichts gegen sie gesagt habe - „überhaupt keine Verurteilung“.