Analyse Trump, das Welträtsel - Was bezweckt der US-Präsident?

Washington (dpa) - Was für ein Auftritt. Die Welt am Rande des Nervenzusammenbruchs, der US-Präsident ganz entspannt. Im Sommerurlaub in Bedminster, nach dem Golfen, erhält Trump ein Sicherheitsbriefing.

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Und während die USA am Rande eines ernsten, gewaltigen Konflikts mit Nordkorea stehen, beginnt er zu reden. Zwei Mal. Einmal vor dem Briefing, ungleich mehr noch danach. Offensichtlich hatte sich einiges aufgestaut.

Dass Donald Trump am Stück Fragen von Reportern beantwortet, ist in seiner Präsidentschaft eine echte Rarität. In Sachen Nordkorea bleibt er an diesem Donnerstag in der Spur - zunächst. Er warnt Staatschef Kim Jong Un, der solle bloß nicht auf die Idee kommen, dummes Zeug zu machen, furchtbar würden die Folgen für dessen Land sein. Die Arme bequem auf dem Tisch verschränkt, das Siegel des Präsidenten im Kreuz, lässt Trump lässig das Szenario einer nuklearen Apokalypse entstehen.

Was er denn Nordkorea noch Schlimmeres androhen wolle als „Feuer und Wut“? „Sie werden schon sehen“, sagt Trump, und legt den Kopf etwas schräg. „Sie werden schon sehen.“

Eigentlich wolle er die Welt ja von Atomwaffen befreien, sagt Trump dann unvermittelt, und zwar vollständig. Amerikaner, Alliierte, alle sollten sich sicher fühlen.

Hier soll ein Bild entstehen, schreibt die „New York Times“: Ich habe alles im Griff. Und Urlaub ist das auch nicht.

Am Freitag legt Trump nochmals nach, wieder ist Twitter Mittel der Wahl. Nie zuvor war der Kurznachrichtendienst mit seinem engen Rahmen von 140 Zeichen Gegenstand solch dröhnender Außenpolitik einer Supermacht: „Militärische Lösungen sind nun voll einsatzfähig“, schreibt der US-Präsident. Die USA stünden bereit, sollte Nordkorea unklug handeln.

Im Original-Tweet nutzt Trump die englische Redewendung „locked and loaded“. Ursprünglich wurde sie wohl auf das Ladeverfahren bestimmter Schusswaffen bezogen und ist inzwischen sprichwörtlich geworden. Sie wird häufig auch im nichtmilitärischen Kontext gebraucht, etwa um auszudrücken, dass jemand bereit ist, zur Tat zu schreiten. Am ehesten entspricht dem die deutsche Wendung „Gewehr bei Fuß“. Wörtlich übersetzt würde es lauten: „gesichert und geladen“. Es findet sich allerdings auch die Übersetzung „entsichert und geladen“.

„Hoffentlich findet Kim Jong Un einen anderen Weg“, schreibt Trump noch. Dass er allerdings diese laute Plattform nutzt und nach Lage der Dinge nicht die US-Alliierten über bevorstehende Militäraktionen informiert, ließe sich auch so deuten: Hier will jemand auch und vielleicht sogar vor allem eine Botschaft an die eigene Basis senden. Ich, der US-Präsident, bin stark. Denn seine Basis, sie schmilzt in diesem Sommer der Unwägbarkeiten, das zeigen mehrere Umfragen.

Anders als Barack Obama, sagte Trump in Bedminster, schätze er keineswegs den Klimawandel als größte Bedrohung der Menschheit ein. Das war nicht überraschend. Sein Entnuklearisierungswunsch, die Arme entschieden hochgereckt, dagegen schon - hatte der Präsident doch Nordkorea gerade noch historische Konsequenzen an die Wand gemalt und dabei stolz auf Amerikas atomares „Tip-Top“-Arsenal verwiesen.

Trump ist schwer zu interpretieren. Oft widerspricht er sich in einem Gedankengang mehrfach. Trotzdem klang sein zweiter Auftritt in Bedminster unter dem Strich beruhigender als der erste. Dort wollte er das „Feuer und Wut“-Zitat keinesfalls zurücknehmen, aber auch nicht wörtlich wiederholen. Rhetorische Abrüstung war das nicht, aber entscheidend ist immer noch konkrete Politik. Und die hat sich aus Washington bisher nicht geändert. Auch aus dem Golfclubheim nicht, und, nach allem was man weiß, mit den Tweets vom Freitag auch nicht.

Im Urlaubsdomizil folgte ein Trump'scher Ritt eigenen Tempos durch außenpolitische Krisenherde und innenpolitisches Unterholz. Bei Russland bedankte er sich, tatsächlich, für die Ausweisung hunderter US-Diplomaten. Sei viel billiger so. Ernst gemeint, bei einem so wichtigen Thema? Man weiß es nicht. Vielleicht schon, hieß es in Kommentaren, angesichts vieler unbesetzter Stellen im Außenministerium. Ein „Amerika zuerst“ brauche keine Diplomaten.

Für viele wäre es denkbar gewesen, dass Trump vor großer Medienkulisse in Bedminster vielleicht Präsident Wladimir Putin mal einen mitgibt, über den gab es aber erneut kein böses Wort.

Stattdessen bekam Mitch McConnell sein Fett weg, seit Tagen neues Attacken-Lieblingsziel des Präsidenten. McConnell ist Mehrheitsführer im Senat, einer der mächtigsten und wichtigsten Republikaner, und in Washington ob seiner Methoden zwar vielleicht nicht beliebt, aber geachtet und gefürchtet. Wenn Trump nach dem Sommer irgendjemanden für seine Großvorhaben braucht, dann denn knödelnden Senator von Kentucky. Was bezweckt Trump mit seinen Angriffen?

„Mitchhunt“, titelte der „Atlantic“, wunderbar angelehnt an die „Witchhunt“ - eine solche angebliche Hexenjagd beklagt Trump in Sachen Russland-Affäre.

Und weiter jagte Trump durch die Themen: Vom zuletzt eigenhändig so absichtsvoll angeschossenen Chefankläger Jeff Sessions lässt er ab, zumindest erstmal. Ein geseufztes „Ach, es ist, was es ist“, mag zwar nicht die stärkste Solidaritätsadresse sein, aber er wirft den standhaften Rechtskonservativen auch nicht raus.

Seinen Sicherheitsberater H.R. McMaster, heftig befehdet von rechten Medien und ihm feindlich gesonnenen Kreisen des Weißen Hauses, versieht Trump mit dem Siegel „unser Freund“, guter Mann, sehr talentiert. Ach so, die Afghanistan-Strategie, da nähere man sich einer Entscheidung. Sei aber sehr schwer, er habe ja dort „ein Chaos“ geerbt, leider.

Im Übrigen lebe der Iran nicht den Geist des Atomabkommens, seien ihm wirklich viele Menschen dankbar für seinen twitterleicht verkündeten Transgenderbann fürs Militär, hätten die US-Demokraten im Wahljahr 2016 mit der Ukraine gemeinsam Böses getan. Der US-Präsident, er hatte ein volles Herz. Selbst die blitzschnellen White-House-Profis der US-Medien kamen beim Ausschütten dieses Füllhorns mit dem Live-Mittwittern gar nicht mehr nach.

In welche Rahmen welcher Politik Trumps all das einzupassen wäre, bleibt nach seinem Auftritt offen. Viele setzen in der Koreakrise größte Hoffnungen auf die jüngsten Äußerungen von James Mattis, US-Verteidigungsminister und Ex-General: „Die US-Bemühungen sind von der Diplomatie getrieben. Sie zeitigen diplomatische Ergebnisse.“ Wenn dem so ist, wird Twitter nicht ihr bevorzugter Rahmen sein.