Wahlkampf in den USA Trumps langer Schatten

Farmville (dpa) - Es ist ihre Bühne, aber eigentlich geht es nicht um sie. Im US-Präsidentschaftswahlkampf haben an diesem Abend die Stellvertreter das Wort, es ist das erste und einzige Duell zwischen dem Republikaner Mike Pence und dem Demokraten Tim Kaine.

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Aber der Schatten von Donald Trump ist zu lang.

Während Pence im Scheinwerferlicht steht, füttert Trump fleißig seinen Twitter-Kanal. Er ist voll des Lobes über seinen Vize. Es klingt, als urteile ein Lehrer über seinen Schüler. Trump will die Deutungshoheit nicht verlieren, er teilt nur ungern.

Und Pence sieht sich immer wieder in der schwierigen Rolle, seinen Chef verteidigen zu müssen.

Auch Kaine spricht erstmal lang und breit über Hillary Clinton. Als die Moderatorin Elaine Quijano von ihm wissen will, was ihn für das Präsidentschaftsamt qualifizieren würde, holt er zu einem Lob über die Demokratin aus, um dann wenig später in einen Angriff auf Trump überzugehen.

In den folgenden 90 Minuten macht Kaine kaum eine gute Figur, er wirkt fahrig und ungeduldig, fällt seinem Konkurrenten immer wieder ins Wort. Er erinnert bei alldem eher an Trumps unglücklichen Auftritt im TV-Duell, nicht an Clintons. Das überrascht, denn der 58-Jährige hat eigentlich Erfahrung in solchen Formaten.

Pence ist ruhiger, besonnener. Wenn er spricht, hört man noch immer den Radiomoderator heraus, der er einst war. Der 57-Jährige trifft den Ton.

Große Auswirkungen auf den Stand des Rennens dürfte das Duell aber nicht haben. Die „Washington Post“ meint, nur wenige Wähler dürften ihre Meinungen anschließend geändert haben. „In diesem Sinne war es eine typische Debatte zwischen Vizepräsidentschaftskandidaten.“ Die „New York Times“ schreibt am Tag danach, beide hätten sich keine großen Fehler geleistet, die Clinton und Trump schaden könnten.

Kaine und Pence standen bislang kaum im Rampenlicht, auch weil sie so wenig kontrovers sind. Sie tourten durchs Land, machten fleißig Wahlkampf. Die Aufmerksamkeit gehörte anderen. Ihre künftige Rolle ist jedoch nicht unwichtig. Der Vizepräsident würde im Todesfall des Präsidenten selbst das höchste Amt im Staat führen. Trump (70) wäre im Fall seines Sieges bei Amtsantritt der älteste Präsident. Clinton, die bald 69 wird, wäre nur wenig jünger als Ronald Reagan, der kurze Zeit nach seinem Amtsantritt 70 wurde.

Trump und Clinton polarisieren, ihre Stellvertreter sind zurückhaltend bis zur Unscheinbarkeit. Sie sind treue Parteisoldaten. Pence saß lange Jahre im Repräsentantenhaus und ist Gouverneur von Indiana. Kaine vertritt Virginia im Senat, zuvor war er Gouverneur.

Pence ist in vielem der komplette Gegenentwurf zu Trump. Ein zutiefst im christlichen Glauben verwurzelter, prinzipientreuer Konservativer. Ein Republikaner, wie er im Lehrbuch steht.

Er sah sich in der Debatte in der schwierigen Aufgabe, einen Kandidaten zu vertreten, mit dem er in manchen Fragen einfach nicht übereinstimmt. Pence war für den Irakkrieg und ist militärischen Interventionen nicht abgeneigt.

Besonders deutlich wird das, als er fordert, man dürfe im syrischen Bürgerkrieg keine Schwäche gegenüber Russland zeigen. Gar für Luftschläge gegen das Regime von Baschar al-Assad macht er sich stark. Trump hatte sich immer wieder lobend über den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert.

Der Auftritt von Pence gleicht dem Spagat, dem er sich auch im Wahlkampf immer wieder ausgesetzt sieht. Der 57-Jährige verteidigt Trump zwar stets. Er zählt aber nicht zu dem inneren Kreis aus Gefolgsleuten, die ihre Gesichter dafür ständig in die Kameras halten.

Für Pence geht es auch darum, sein eigenes politisches Profil zu wahren. Er ist die Hoffnung des Establishments, das ihre Ziele unter einem Präsidenten Trump nicht gänzlich verloren wären. Die deutlichen Worte, die er an die Adresse Moskaus sendet, werden dem gerecht. Er liegt ganz auf einer Linie mit mächtigen Parteivertretern.

Kaine gelingt es dagegen kaum, eigene Schwerpunkte zu setzen. Dabei hätte er mit seinem Auftritt ein starkes Signal an die Hispanics senden können. Der 58-Jährige arbeitete in den Achtzigern als katholischer Missionar in Honduras. Er spricht fließend Spanisch. Seine Ausführungen zum Thema Einwanderung beschränken sich aber weitgehend auf die Forderung nach einer Reform. Überlagert werden sie davon, dass er sich mit Pence in eine Diskussion darüber verstrickt, was Trump über illegale Einwanderer aus Mexiko gesagt hat.

Die Debatte gerät inhaltlich insgesamt aber tiefgründiger und breiter, als es bei Trump und Clinton der Fall war. Das wird augenscheinlich, als Pence ausführlich über die Lage in Syrien spricht und Schutzzonen für das Land fordert. Beide diskutieren auch lang und breit über Abtreibungen - eine Auseinandersetzung, die in den USA oft verbissen geführt wird. Zwischen Clinton und Trump war das kein Thema.

Dass das Duell inhaltlich einen weiten Bogen schlägt, mag auch an den Fragen der Moderatorin Elaine Quijano liegen. Sie zielen weniger auf die Persönlichkeiten der beiden Kandidaten ab, sondern mehr auf Konzepte. In einem Wahlkampf, der an Inhalten arm ist und in dem der syrische Bürgerkrieg faktisch kein Thema ist, fällt es dennoch auf.