Nach sechs Monaten Trumps Sprecher Sean Spicer schmeißt hin
Washington (dpa) - Es kann gut sein, dass Sean Spicer es sehr bereut, sich jemals auf diesen Job im Weißen Haus eingelassen zu haben. Vor dem 20. Januar 2017 war er ein geachteter Medien- und Politstratege bei der Republikanischen Partei.
In den Wochen danach wurde er wahlweise zum Feind der Medien, zum unvollkommenen Diener seines Herren Donald Trump - und auch zur Lachnummer. Die Schauspielerin Melissa McCarthy fand als Spicer-Parodistin in der Comedy-Sendung „Saturday Night Live“ so etwas wie eine Paraderolle.
„Die Rolle des Sprechers des Weißen Hauses ist eine Fernseh-Rolle“, sagt der im Weißen Haus ein- und ausgehende CNN-Reporter Jim Acosta. Und kein Präsident in der US-Geschichte habe das Fernsehgeschäft besser verstanden als Donald Trump, der ehemalige Star der Sendung „The Apprentice“. Ein Scheitern Spicers war somit von Anfang an eine Frage der Zeit - zumal er stets hinter den Twitternachrichten herhecheln musste, die der Präsident höchstselbst in die Welt setzte.
Häufig wurde kolportiert, Trump habe nur auf den 45-Jährigen zurückgegriffen, weil er die Parteiführung, die jahrelang auf Spicer vertraut hatte, nicht von Anfang an vergraulen wollte.
Sean Spicer wurde vom Tag eins an auch zur Zielscheibe der US-Medien, die an ihm ihre Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik ausließen. Als er am 21. Januar die steile Thesen seines Präsidenten vertreten musste, bei dessen Vereidigung seien mehr Menschen gewesen als jemals zuvor bei der Amtseinführung eines Präsidenten, mutmaßen viele: Trump wollte testen, ob Spicer für ihn lügt.
„Dies war das größte Publikum, das jemals einer Amtseinführung beiwohnte. Punkt!“, sagte er und warf den Medien vor, sie würden versuchen, die enorme Unterstützung für Trump herunterspielen zu wollen - der Krieg, den er ohne die uneingeschränkte Unterstützung seines Präsidenten nie gewinnen konnte, war ausgebrochen. Schwere Fehler Spicers folgten: Etwa als er sich auf der Flucht vor Reportern in die Büsche des Gartens im Weißen Haus schlug oder sich zu einem schrägen Assad-Hitler-Vergleich hinreißen ließ.
Es entspann sich auf offener Bühne fast täglich ein Schlagabtausch, der selbst im Drama-erfahrenen Washington das Zeug zum Politikspektakel hatte. Spicer wurde zum Gesicht der Trump-Administration. Seine Aussagen verloren an Glaubwürdigkeit. Der Präsident führte seinen Krieg gegen die nach seiner Ansicht „Fake News“ verbreitenden Medien auch über Spicer.
Anderseits nutzten auch Journalisten durchaus die Gelegenheit, sich auf seine Kosten mit provokanten Fragestellungen, auf die sie selbst nicht ernsthaft eine Antwort erwarteten, vor laufenden Kameras zu profilieren. Nicht immer ging es fair zu - vor und hinter dem Podium.
Sean Spicer muss gewusst haben, dass er diese Schlacht nicht lange weiterführen konnte. Er zog sich zurück, ließ seine Stellvertreterin Sarah Sanders häufiger vor die Pressemeute treten und die Kameras im Saal abschalten - wohl in der Hoffnung, die vakante Stelle des weitaus strategischer ausgerichteten Kommunikationsdirektors einnehmen und dem Rampenlicht entfliehen zu können.
Das klappte nicht: Am Freitag holte Trump für diesen Posten Anthony Scaramucci ins Weiße Haus - einen früheren Wall-Street-Investor, der zuletzt für die Export-Import-Bank der USA arbeitete und Trump in der Übergangsphase ins Weiße Haus unterstützte.
Und das nach alldem, was in der kurzen Zeit passiert war. Darunter der Besuch beim Papst, den der tiefgläubige Katholik Spicer in seinem Hotelzimmer verbringen musste, während die Trump-Familie beim Heiligen Stuhl empfangen wurde. Wie die Anekdote in Rom ist auch die Personalie Scaramucci ein Schlag ins Gesicht Spicers. Einer zu viel.
Für Trump ist es nur ein weiterer Schritt, mit der der Präsident die wichtigsten Positionen um sich herum, mit Leuten aus seinem beruflichen und privaten Dunstkreis besetzt. Scaramucci entstammt dem Geldhaus Goldman Sachs, wie viele aus der Administration.
Spicer, jahrzehntelang mit der republikanischen Partei verbandelt, war „Washingtonian“. Scaramucci ist New Yorker, wie Trump. „Er spricht seine Sprache viel fließender“, sagt die CNN-Chefreporterin im Weißen Haus, Dana Bash. Die Republikaner, auf deren Ticket Trump sich hatte wählen lassen, blieben zunächst auffallend ruhig.