Übergangsrat setzt Kopfgeld auf Gaddafi aus
Tripolis (dpa) - Zwei Tage nach Erstürmung seiner Residenz in Tripolis durch Rebellen bleibt der langjährige libysche Diktator Gaddafi verschwunden. Kämpfer der Aufständischen durchkämmen die ausgedehnten Bunkeranlagen unter der Militäranlage Bab al-Asisija, berichtet der Sender Al-Dschasira.
In der Nacht zum Mittwoch hatte Gaddafi in zwei Audio-Botschaften erklärt, er wolle notfalls den „Märtyrertod“ sterben. Die von den Aufständischen gebildete Übergangsregierung setzte ein Kopfgeld auf ihn aus und versprach jedem aus dem näheren Umfeld des Diktators, der ihn tötet oder ausliefert, Straffreiheit.
In der Hauptstadt Tripolis gibt es weiter vereinzelt Gefechte. Es sei aber der ruhigste Tag, seit er Anfang der Woche dort eingetroffen sei, berichtete ein Reporter des britischen Rundfunksenders BBC. Al-Dschasira zitierte einen Rebellensprecher, die Aufständischen hätten den größten Teil der Stadt unter Kontrolle.
Auch in anderen Teilen des Landes kämpfen nach Berichten noch Gaddafi-Treue mit den Aufständischen. In der Umgebung von Gaddafis Heimatstadt Sirte würden sich Rebellenkämpfer auf ein mögliches Scheitern der Verhandlungen über einen friedliche Übergabe der Stadt vorbereiten, berichtete Al-Dschasira. Dort dauerten Verhandlungen von Vertretern des Übergangsrates mit Gaddafi-nahen Stammesführern an, hieß es.
In der Nacht zum Donnerstag war es am Internationalen Flughafen von Tripolis wieder zu schweren Gefechten gekommen. Aufgrund der hohen Opferzahlen bei den Kämpfen der vergangenen Tage werden in den Krankenhäusern die Medikamente knapp. Ärzte sprechen von chaotischen Zuständen.
Vier am Mittwoch in Libyen entführte italienische Journalisten sind nach Berichten führender Medien wieder frei. Die beiden Medienvertreter der Mailänder Zeitung „Corriere della Sera“ sowie deren Kollegen von „La Stampa“ und „Avvenire“ seien bereits in einem Hotel in Tripolis, berichtete der italienische TV-Sender „SkyTg24“ am Donnerstag. Es gehe ihnen allen gut, berichtete die „Corriere“-Journalistin Elisabetta Rosaspina ihrer Zeitung.
Die US-Regierung geht nach wie vor davon aus, dass sich Gaddafi in Libyen aufhält. Es gebe keine Hinweise, dass er das Land verlassen haben könnte, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, David Lapan, der BBC. „Die uns vorliegenden Informationen lassen uns davon ausgehen, dass er sich nach wie vor in Libyens aufhält.“
Die Übergangsregierung läutet bereits eine neue Ära ein. Sie legte einen Zeitplan für das Libyen nach Gaddafi vor und kündigte Wahlen binnen acht Monaten an. In Paris kündigte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy eine Libyen-Aufbaukonferenz für den 1. September in der französischen Hauptstadt an. „In voller Übereinstimmung mit (dem britischen Regierungschef) David Cameron haben wir beschlossen, eine große internationale Konferenz zugunsten des freien Libyen von morgen einzuberufen - um zu zeigen, dass wir uns nun mit der Zukunft befassen“, sagte Sarkozy nach einer Unterredung mit dem Chef der Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, im Élysee-Palast.