USA schicken Spezialeinheit in den Irak
Bagdad/Washington (dpa) - Rund eine Woche nach Beginn des Islamistensturms im Irak wächst die Gegenwehr auch international. Die US-Regierung entsendet eine 275 Mann starke Spezialeinheit in den Irak. Die Truppe sei wenn nötig auch zum Kampf gerüstet, teilte US-Präsident Barack Obama mit.
Die USA sorgen sich um die Stabilität der Region und befürchten einen Zerfall des irakischen Staates. Die Islamisten versuchten am Dienstag weiter, nach Bagdad vorzudringen, wurden aber teils zurückgeschlagen. Hilfsorganisationen warnen vor einer Flüchtlingstragödie.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht die Hauptverantwortung für die Lösung des Irakkonflikts nicht bei den USA. Stattdessen sprach sie sich für eine regionale Lösung aus. „Es sind vor allem die regionalen Akteure gefragt, die direkten Einfluss auch haben - von der Arabischen Liga über die Türkei bis hin zum Iran und selbstverständlich die irakische Regierung an allererster Stelle“, sagte sie zum Auftakt ihres USA-Besuchs in New York.
Die USA behalten sich ein militärisches Eingreifen im Irak vor, um den Vormarsch der Sunnitenmiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) auf Bagdad zu stoppen. Als Optionen gelten Luftangriffe sowie ein umfassenderes Training irakischer Sicherheitskräfte. Der Einsatz von US-Bodentruppen wurde mehrfach ausgeschlossen.
Zur entsandten Spezialeinheit teilte Obama dem Kongress mit, sie solle die Botschaft in Bagdad und die dort arbeitenden Amerikaner schützen. Zu bereits eingetroffenen 170 Spezialisten kämen noch etwa 100 weitere, die, falls erforderlich, Flugplätze verwalten, logistische Maßnahmen unterstützen und zur Sicherheit beitragen sollen. In in der weltweit größten US-Botschaft in Bagdad sind rund 5000 Amerikaner tätig. Zum Vergleich: Im ganzen Irak gibt es mehr als 1000 Deutsche.
Der Bürgerkrieg in Syrien und die Kämpfe im benachbarten Irak könnten nach Einschätzung von UN-Ermittlern rasch auf die gesamte Region übergreifen. „Ein regionaler Krieg im Nahen Osten rückt immer näher“, warnte der Leiter der unabhängigen Syrien-Untersuchungskommission, Paulo Sérgio Pinheiro, vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Die größte Gefahr gehe von extremistischen Terrorgruppen wie Isis aus.
Die Islamisten versuchen offenbar mit aller Gewalt, zur Hauptstadt vorzudringen. Inzwischen kämpfen Soldaten in großen Teilen des Landes gegen Extremisten - auch wenige Dutzend Kilometer nördlich von Bagdad. Wie das Nachrichtenportal „Sumaria News“ berichtete, verhinderten Sicherheitskräfte in der Provinz Kirkuk einen Angriff der Sunnitenmiliz auf einen Schiitenschrein. In der Provinz Dijala seien bei Gefechten mindestens 19 Extremisten getötet worden.
Rund 60 Kilometer nördlich von Bagdad scheiterten die Dschihadisten mit einer Befreiung führender Gesinnungsgenossen aus dem Gefängnis. Bei dem Angriff nahe der Stadt Bakuba wurden laut einem Medienbericht mindestens 44 Häftlinge getötet. Die Kämpfer hatten die Haftanstalt unter anderem mit Panzerabwehrwaffen angegriffen.
Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen zwingen die Kämpfe immer mehr Menschen in die Flucht. Inzwischen sollen es schon 1,2 Millionen sein. Die Lage verschlechtere sich von Tag zu Tag. Helfer warnen vor einer humanitären Katastrophe.
Die Isis hatte Anfang vergangener Woche die zweitgrößte nordirakische Stadt Mossul eingenommen und war tagelang praktisch ungehindert Richtung Bagdad vorgedrungen. Inzwischen haben sich kurdische und irakische Streitkräfte neu formiert und leisten Gegenwehr. Viele Schiiten meldeten sich zum Dienst an der Waffe gegen die Dschihadisten. Die Eskalation dürfte die Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten im Irak noch weiter vorantreiben.
Der Irakkonflikt führt auf internationaler Ebene einstige Erzfeinde zusammen. Nach Washington bestätigte am Dienstag auch Teheran amerikanisch-iranische Gespräche über den Irak. „Ja, wir haben auch die Brutalitäten der Isis im Irak besprochen“, sagte Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. Er war am Rande der Atomverhandlungen mit US-Vizeaußenminister William Burns zusammengekommen.
Der schiitische Iran befürchtet eine Machtübernahme durch radikale Sunniten der Isis im schiitisch regierten Irak. Der iranische Präsident Hassan Ruhani hatte sich grundsätzlich offen für eine Zusammenarbeit mit den USA im Kampf gegen die Gruppe gezeigt.
Nach Einschätzung des Nahost-Experten Michael Lüders bereiten die USA wahrscheinlich Militärschläge auf Isis-Stellungen vor. Beim angekündigten Einsatz der Spezialeinheit gehe es nicht nur darum, amerikanische Bürger zu schützen, sagte Lüders dem Sender n-tv.
Dem Siemens-Konzern gelang es nach tagelanger Unsicherheit, 50 Techniker aus einem von Isis beherrschten Gebiet ausfliegen zu lassen. Nach Informationen von „Spiegel Online“ wurden 50 Siemens-Beschäftigte gerettet, darunter acht Deutsche. Sie waren mit der Modernisierung eines Kraftwerks 200 Kilometer nördlich von Bagdad beschäftigt. Das Auswärtige Amt bestätigte, alle seien in Sicherheit.