Volkswirte: Brexit trifft auch deutschen Arbeitsmarkt

Nürnberg (dpa) - Der bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens wird nach Einschätzung von Volkswirten deutscher Großbanken auch für den deutschen Arbeitsmarkt nicht ohne Folgen bleiben. Im schlimmsten Fall könnte auch die Arbeitslosigkeit steigen, warnen Fachleute.

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Gerade in der von Großbritannien abhängigen Exportindustrie könnten künftig zunächst geplante Stellen unbesetzt bleiben und damit den seit Jahren anhaltenden Beschäftigungsaufbau bremsen, erklärten Ökonomen in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.

„Das ist für die deutsche Konjunktur ein klar negatives Signal“, meinte etwa DZ-Bank Volkswirt Michael Holstein. Wie stark sich der Brexit auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirken werde, hänge davon ab, ob er sich in Großbritannien zur Wirtschaftskrise auswachsen und wie stark darunter die deutsche Wirtschaft leiden werde. Ein bisher von der DZ-Bank favorisiertes „mildes Brexit-Szenario“ gehe nur von einem leicht gedämpften Wachstum der deutschen Wirtschaft aus. „Das ergäbe dann auf dem Arbeitsmarkt keinen sehr starken Effekt.“

Auch für Rolf Schneider von der Allianz hat der Brexit eine „konjunkturdämpfende Wirkung“. Wie stark die deutsche Wirtschaft davon betroffen sein werde, „hängt vom Ausmaß der Finanzmarkt-Turbulenzen ab“. Für die nächsten zwei Jahre wird der EU-Ausstieg Großbritanniens nach seiner Prognose der deutschen Wirtschaft insgesamt ein Prozent Wirtschaftswachstum kosten. Das werde dann wohl auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu spüren sein und auch zu steigender Arbeitslosigkeit führen.

Etwas optimistischer fällt die Prognose von Commerzbank-Volkswirt Eckart Tuchtfeld aus: „Prinzipiell wird die deutsche Wirtschaft den Brexit wegstecken“, ist er überzeugt. Natürlich werde der EU-Ausstieg Großbritanniens wegen der engen Verflechtung beider Volkswirtschaften für die deutsche Wirtschaft nicht ohne Folgen bleiben.

Trotzdem würde er den Brexit „nicht so hoch hängen - und auch nicht die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt“, sagte er der dpa. Er rechnet wegen des Brexits allenfalls mit geringfügigen Jobverlusten. Betroffen wären davon vor allem exportorientierte Unternehmen. „Mit dem Brexit werden in Großbritannien künftig natürlich weniger Exportgüter aus Deutschland nachgefragt werden“, glaubt Tuchtfeld.

Stefan Kipar von der Bayern-LB rechnet erst mittelfristig mit Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt. „Der Brexit wird nicht von jetzt auf gleich Wirkung zeigen, dazu ist die deutsche Wirtschaft zu Binnenmarkt-getrieben.“ Auf jeden Fall müsse damit gerechnet werden, dass künftig in vielen deutschen Unternehmen die eine oder andere geplante Einstellung unterbleibt. „Das ist ein schleichender Prozess.“ Insgesamt rechne er aber auf dem Arbeitsmarkt nur mit moderaten Auswirkungen.

Für Juni jedenfalls sehen die Arbeitsmarktexperten weiterhin einen stabilen Arbeitsmarkt. Sie rechnen im Schnitt mit rund 2,61 Millionen Erwerbslosen; das wären rund 55 000 weniger als im Mai und rund 100 000 weniger als vor einem Jahr. „Die Grundstory hat sich nicht wahnsinnig verändert. Der Stellenaufbau geht erst mal weiter“, ist Stefan Kipar von der BayernLB überzeugt. Der Hauptgrund dafür seien hauptsächlich Saisoneffekte. Der Juni profitiere von den Nachwehen des alljährlichen Frühjahrsaufschwungs. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen gibt die Bundesagentur für Arbeit (BA) an diesem Donnerstag (30.6.) bekannt.