Was nun, Österreich? Die Präsidentenwahl und ihre Folgen
Wien (dpa) - Mit 50,3 Prozent der Stimmen hat der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen die Bundespräsidentenwahl in Österreich im „Foto-Finish“ gewonnen. Der Ablauf und das Ergebnis der Wahl überraschten:
Was ändert sich mit dem Sieg Alexander Van der Bellens?
Der 72-Jährige will sich zwar - ganz traditionell - nicht in tagesaktuelle Themen einmischen. Doch er hat mehrfach betont, kritisch auf die Arbeit der Regierung zu achten. Ihm liegt vor allem das Bekenntnis zu Europa auf dem Herzen. In der Flüchtlingsfrage will er die Gesellschaft zu Toleranz und Offenheit ermahnen. Das kann entscheidend sein in einer Zeit der großen Migrationsströme.
Wie reagierte Norbert Hofer auf seine Niederlage?
Bereits vor der Verkündung durch das Innenministerium schrieb Hofer auf Facebook von seinem Ausscheiden: „Ich werde Euch treu bleiben und meinen Beitrag für eine positive Zukunft Österreichs leisten.“ Der Einsatz im Wahlkampf sei nicht verloren, sondern eine Investition in die Zukunft. Sein FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache betonte auf Facebook: „Wir haben bereits eine Wende eingeleitet.“
Warum werden die Briefwähler erst am Folgetag ausgezählt?
Manche Gemeinden sind so klein, dass die Stimme von Briefwählern bei einer Auszählung vor Ort nicht mehr anonym wäre. Die Wahlkarten werden deshalb in die größeren Bezirke gebracht. Das braucht im Alpenland Zeit.
Wie sollte Österreich mit der Polarisierung umgehen?
Den ersten Schritt, um den politischen Graben zu überwinden, machten beide Kandidaten unmittelbar nach Wahlschluss. Sie versprachen, überparteilicher Präsident aller Österreicher sein zu wollen. Der Lager-Wahlkampf hat polarisiert und politisiert. Das jetzt so verbreitete Politikbewusstsein wird nicht unbedingt negativ gesehen. Es könnte auch eine Grundlage sein, die Politikverdrossenheit zu überwinden.
Was bedeutet das Wahlergebnis für die deutsche Politik?
Es ist am Ende Erleichterung nach einem schweren Schock: Die Hälfte der Stimmen für FPÖ-Mann Hofer - das wird auch deshalb als Schreckensbotschaft gesehen, weil die AfD in Deutschland längst zweistellig ist und weiter starken Zulauf hat. „Was in Österreich passiert ist, darf sich nicht wiederholen“, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.
Aber wie wollen die deutschen Parteien das verhindern?
Das geringe Ansehen der Wiener großen Koalition in der Bevölkerung wird als Grund für das starke Abschneiden der FPÖ genannt. Das betrifft auch das Chaos in der Flüchtlingspolitik. Doch auch in Deutschland tut sich die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwer, hier auf Kurs zu bleiben - nicht nur wegen des Widerstands aus der CSU. Sollten der Deal mit der Türkei platzen und die Flüchtlingszahlen wieder steigen, dürfte das auch in Deutschland die Rechtspopulisten weiter stärken.
Wie sieht Brüssel die Wahl?
Etliche Europaparlamentarier zeigten sich über den knappen Sieg Van der Bellens erleichtert. Schon vor der Wahl hatte der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker keinen Hehl daraus gemacht, dass er mit einem Sieg Hofers nicht glücklich gewesen wäre. „Ich wünsche mir nicht, dass der FPÖ-Kandidat Präsident der Republik Österreich wird. Ich wünsche mir, dass der grüne Kandidat gewinnt“, hatte Juncker gesagt.
Wie war das Verhältnis zwischen der EU und Österreich zuletzt?
Zwischen Brüssel und Wien gab es in den vergangenen Monaten bereits wegen des Vorgehens in der Flüchtlingskrise einige Misstöne. Die Brüsseler Behörde zeigte sich tief besorgt über mögliche Grenzkontrollen sowie einen erwogenen Grenzzaun am Brenner an der Grenze zu Italien. Wien nahm von den Plänen vorerst wieder Abstand. Mit einem Bundespräsidenten, der in der Flüchtlingsfrage einen harten Abschottungskurs befürwortet, hätten sich Reibereien mit Brüssel in Zukunft eher gehäuft. Van der Bellen dürfte in diesen Fragen hingegen eher mäßigend und versöhnend einwirken.