Wohnungsräumung endet blutig: „Regelrechte Hinrichtung“
Karlsruhe (dpa) - Zwei Männer sitzen gefesselt auf dem Sofa, getötet mit einem Kopfschuss. Auf dem Boden liegt ein weiterer Mann, von mehreren Schüssen niedergestreckt; im Schlafzimmer liegt eine tote Frau auf dem Bett.
Ein grauenhaftes Bild bietet sich den Polizisten in Karlsruhe, als sie nach einer Geiselnahme in die Drei-Zimmer-Wohnung stürmen. Der 53-jährige Bewohner hat am Mittwoch vier Menschen und sich selbst erschossen, weil er die Zwangsräumung nicht akzeptieren wollte.
„Das war eine regelrechte Hinrichtung“, sagt der Chef der Staatsanwaltschaft, Gunter Spitz. Der Täter habe genau geplant, was er tun wird, wenn die Räumung der Wohnung seiner Lebensgefährtin ansteht. Als der 47 Jahre alte Gerichtsvollzieher um 8.00 Uhr in Begleitung eines Sozialarbeiters und des Schlüsseldienstes an der Tür klingelt, lässt der Arbeitslose die Gruppe herein. Dann zwingt er die Männer mit Waffengewalt, sich hinzusetzen. Als sich der Gerichtsvollzieher weigert, schießt der Täter ihn zweimal in die Beine.
Darauf fordert er den 33 Jahre alten Schlüsseldienstmann auf, die anderen zu fesseln. Inzwischen ist auch noch der neue Eigentümer der Wohnung eingetroffen, der Ende April die Immobilie erworben und die Zwangsräumung beantragt hat. Der Schlosser fesselt auch ihn und versucht danach, sich zu wehren, Daraufhin streckt ihn der Geiselnehmer mit mehreren Schüssen nieder.
Rund 45 Minuten dauert das Drama nach Angaben der Polizei. Immer wieder geht der Täter in die Küche, trinkt Bier und raucht. Auf die Frage des Sozialarbeiters, wo denn seine Partnerin sei, antwortet er, sie liege krank im Bett. Ob die 55-Jährige zu diesem Zeitpunkt schon tot ist, wird noch untersucht. Die Polizei fand sie mit einem aufgesetzten Brustschuss.
Um kurz vor 10.00 Uhr lässt der Geiselnehmer den Sozialarbeiter überraschend frei. Dieser informiert sofort die Polizei. Als er das Haus verlässt, hört er fünf Schüsse. Nach dem Stand der Ermittlungen hat der Täter wohl bereits zu diesem Zeitpunkt die Geiseln ermordet und sich dann mit einem Schrotgewehr selbst in den Kopf geschossen.
Das Einsatzkommando rückt wenig später mit einem Großaufgebot an - alarmiert von der Aussage des Sozialarbeiters. Der Täter verfügt über ein ganzes Waffenarsenal: eine Übungshandgranate, ein Gewehr mit langem Magazin, eine Schrotflinte, zwei Pistolen sowie reichlich Munition. Damit hätte er sich ein „extremes Feuergefecht“ mit der Polizei liefern können, sagt Kriminaldirektor Thomas Rüttler. Woher der Täter die Waffen hatte, wissen die Ermittler noch nicht - vermutlich aus illegalen Quellen; einen Waffenschein hatte er nicht.
Aufgeschreckt ist die Polizei auch, weil die Nordstadt eine beliebte Wohngegend für Familien ist. Die Beamten sperren die Gegend weiträumig ab, räumen drei Wohnblocks in der unmittelbaren Nachbarschaft. Schulen und Kindergärten werden abgeschlossen, Kinder und Betreuer aufgefordert, die Räume nicht zu verlassen. Man habe es für möglich gehalten, dass der Täter die Wohnung unerkannt verlassen habe, erklärt die Polizei später.
Währenddessen bezieht das Spezialeinsatzkommando Position. Die Männer sind maskiert, zum Teil mit Helm und Schild geschützt. Über dem Gelände kreist in großer Höhe ein Hubschrauber, nur leise ist sein Rotor zu hören. In Seitenstraßen gehen etliche Rettungsfahrzeuge in Position.
Irgendwann zwischen 11.00 und 12.00 Uhr kommt Rauch aus der Wohnung, denn der Täter hatte einen Teppich angezündet. Die Spezialkräfte schlagen zu. Doch sie kommen zu spät. Sie finden nur noch Leichen.