Aldi-Lieferant Medion wird chinesisch
Düsseldorf/Hongkong (dpa) - Als erstes bekanntes Unternehmen in Deutschland steht der Aldi-Lieferant Medion vor einer Übernahme durch chinesische Investoren. Für die Essener zahlt der PC-Spezialist Lenovo aus Hongkong rund 629 Millionen Euro.
Medion ist vor allem für seine bei Aldi vertriebenen Computer, Kameras oder Navigationsgeräte bekannt. Lenovo bietet den Medion-Aktionären 13 Euro je Aktie in bar. Das sind etwa 18 Prozent mehr, als die Aktie am Dienstagabend wert war. Als Reaktion schoss der Kurs der Medion-Aktie am Mittwoch bis zum frühen Nachmittag 17,6 Prozent auf 12,99 Euro in die Höhe.
Die Chinesen haben Erfahrung mit großen Übernahmen: Vor einigen Jahren hatten sie bereits die PC-Sparte des US-Konzerns IBM erworben. Nun wollen sie mindestens 51 Prozent des Medion-Grundkapitals. Die Übernahme sei "ein weiterer mutiger Schritt" zur Umsetzung der langfristigen Lenovo-Strategie, erklärte das Unternehmen. Den eigenen Marktanteil in Deutschland verdoppele man damit auf 14 Prozent.
Medion mit Hauptsitz in Essen hat sich vor allem um die Jahrtausendwende durch billige Computer für die Handelskette Aldi einen Namen gemacht. Nach wie vor ist der Discounter einer der wichtigsten Kunden von Medion. Das 1983 gegründete und 1998 an die Börse gebrachte Unternehmen schlitterte Mitte des vergangenen Jahrzehnts - unter anderem wegen der hohen Abhängigkeit von Aldi - in eine Krise, von der es sich nur langsam erholt.
Auf dem Weg zur angestrebten Medion-Mehrheitsübernahme hat Lenovo bereits einen großen Schritt gemacht: Der Unternehmensgründer, Mehrheitseigentümer und Vorstandschef Gerd Brachmann nahm das Angebot zu großen Teilen bereits an - er wird laut der Mitteilung knapp 17,75 Millionen Aktien für rund 230,7 Millionen Euro an die Chinesen abgeben. Brachmann erhält 80 Prozent davon in bar und 20 Prozent in Form von Lenovo-Aktien.
"Ich bin stolz, ein wichtiger privater Teilhaber der am schnellsten wachsenden PC-Firma der Welt zu sein", teilte Brachmann mit. Die Übernahme werde die Marktposition von Medion stärken. Die Firmenstruktur in Essen werde beibehalten.
Über den ersten Einstieg von Chinesen bei einem bekannten deutschen Unternehmen war angesichts der vollen chinesischen Kassen immer wieder spekuliert worden. So waren Chinesen unter anderem bei Opel und der Dresdner Bank im Gespräch. Aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen waren diese Versuche aber gescheitert. Stattdessen kauften sich die Chinesen bei weniger bekannten Unternehmen ein, beispielsweise beim angeschlagenen Autozulieferer SaarGummi oder den Werkzeugmaschinenherstellern Schiess und Waldrich Coburg.
Bei Medion dürfte es jetzt klappen: Der 1984 gegründete und inzwischen weltweit viertgrößte PC-Hersteller Lenovo hat Erfahrung mit Auslandsübernahmen. Bereits 2005 schlug Lenovo spektakulär zu und übernahm die PC-Sparte des amerikanischen IT-Konzerns IBM für 1,75 Milliarden Dollar.
Dies war die erste größere Übernahme eines chinesischen Unternehmens in den Vereinigten Staaten. Lenovo will zudem bei der PC-Produktion künftig mit dem japanischen Konzern NEC zusammenarbeiten. Bei seiner Expansion hat Lenovo mächtige Rückendeckung: Hinter dem Konzern steht mit Legend ein vom Staat kontrollierter Großaktionär.
Medion fährt seit langem Milliardenumsätze ein. 2010 setzten die Essener 1,64 Milliarden Euro um, verdienten vor Zinsen und Steuern aber nur 28,1 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2003 hatte der Erlös noch knapp drei Milliarden Euro betragen, der Gewinn vor Zinsen und Steuern lag bei 179,9 Millionen Euro. Medion beschäftigte zuletzt etwas mehr als 1.000 Mitarbeiter.
Bei Aktienmarktexperten kam die Offerte gut an. So macht zum Beispiel für Holger Schwesig von der DZ Bank das Angebot für beide Seiten Sinn. So konnte Medion ohne einen starken Partner im Einkauf das Hardware-Geschäft nicht profitabel gestalten. Lenovo wiederum erhalte Zugang zum europäischen Markt für Unterhaltungselektronik durch den starken Vertriebskanal Aldi. Sein fairer Wert liege bei 10,50 Euro. Er empfehle Aktionären, das Angebot anzunehmen.