Arag: Zukunft ohne Lebensversicherung

Der Düsseldorfer Konzern konzentriert sich auf die Schwerpunkte Rechtsschutz, Schadens-, Unfall- und Krankenversicherung.

Arag-Chef Paul-Otto Faßbender spricht von einer "Erfolgsstory" seines Unternehmens.

Foto: Caroline Seidel

Düsseldorf. Wenn Paul-Otto Faßbender einmal im Jahr im 29. Stockwerk des Düsseldorfer Arag-Hochhauses vor Journalisten Bilanz zieht, dann dürfen viele Mitarbeiter ihre Arbeit unterbrechen. Die Bilanz-Pressekonferenz des Unternehmenschefs und seines Vorstandsteams wird live ins Foyer übertragen. Und das hat auch der 71-jährige Konzernpatriarch im Blick, wenn er die „hohe Leistungsbereitschaft des gesamten Arag-Teams“ lobt.

National und international hat sich die Zahl der Mitarbeiter des Versicherers im vergangenen Jahr von 3870 auf 4053 erhöht. 120 von ihnen werden jedoch den Arag-Konzern verlassen — ohne allerdings ihren Job zu verlieren. Und das liegt daran, dass die Düsseldorfer ihr Lebensversicherungsgeschäft mit 322 000 Verträgen und 2,8 Milliarden Euro Kapitalanlagen abgeben. Dieses soll von der Frankfurter Leben übernommen werden — vorbehaltlich der allerdings noch ausstehenden Genehmigung durch die Finanzaufsichtsbehörde Bafin.

Der Käufer, die Frankfurter Lebensversicherungs AG, ist laut Selbstdarstellung „darauf spezialisiert, Lebensversicherungsbestände von anderen Versicherern zu übernehmen und diese weiter zu verwalten.“ „Run off“ nennt sich das Geschäft, bei dem ein Versicherer keine neuen Verträge mehr abschließt und den Bestand abwickelt. Bernd Neumann, Vorstand der Frankfurter Leben, hat versprochen, die Versicherungsverträge würden „exakt fortgeführt, Überschussbeteiligungen sind durch den Verkauf nicht betroffen“.

Faßbender hatte den Schnitt bereits im vergangenen September damit begründet, dass der Konzern „durch den Verkauf nun unabhängiger von der Volatilität der Finanzmärkte handeln“ könne. Nicht zuletzt sei der Schritt durch die Erwartung geprägt, dass durch den Brexit die Tiefzinsphase in Europa weiter anhalten werde. Durch die Zinsentwicklung verliere das deutsche Lebensversicherungsgeschäft an Attraktivität. Und es würden „enorm viele Ressourcen im Segment der Lebensversicherung gebunden“, die für die Weiterentwicklung der eigentlichen Zukunftsfelder der Arag fehlten.

Schon im zurückliegenden Geschäftsjahr war der „Run Off“, das Zurückfahren des Neugeschäfts stark spürbar. Die Beitragssumme des Neugeschäfts im Bereich Lebensversicherung sank noch unter Arag-Regie von zuvor 461 auf knapp 339 Millionen Euro. Der Verkauf der Arag Leben sei ein „klares Zeichen unternehmerischer Vernunft“, und in einer Tiefzinsphase letztlich alternativlos, betonte Faßbender gestern. „Wir konzentrieren uns auf unsere strategischen Schwerpunkte“ — also auf die Bereiche Rechtsschutz, Schadens-, Unfall- und Krankenversicherung.

Dabei will man besonderen Wert auf die Digitalisierung legen. Faßbender: „Die Zahl unserer Online-Kunden ist weiter deutlich gewachsen. Von Anfang 2016 bis heute hat der Bestand an Kunden, die online bei uns abschließen, um 17 Prozent zugelegt. Bereits heute zählen wir 217 000 Online-Kunden. Das entspreche elf Prozent des Gesamtkundenbestands in Deutschland.

Die Digitalisierung zeigt sich auch in dem Angebot an diejenigen, die bereits Kunden sind. Plastisch ist hier das Beispiel aus dem Bereich der Krankenversicherung, wo es seit März die „ärztliche Konsultation über Video-Chats gibt.“ Hanno Petersen, für IT zuständiger Arag-Vorstand, erklärt, wie das funktioniert: „Der Versicherte kann sowohl telefonisch als auch per Videochat mit einem Netzwerk von circa 150 Ärzten in Kontakt treten, sieben Tage die Woche, von sechs bis 23 Uhr.“ Und so Orientierung und Hilfe von Spezialisten bekommen. So könne man schnell und einfach die Zweitmeinung eines kompetenten Arztes einholen. Über die ärztliche Videoberatung könne der Versicherte so auch eine Überweisung zu einem Facharzt erhalten und gegebenenfalls auf einen zusätzlichen Besuch beim Hausarzt verzichten.