Auf Pump durch die Krise
Der Verbraucher wird zur Stütze der Wirtschaft. Manch einer übersieht die Schuldenfalle.
Düsseldorf. Die Bilder wollen einfach nicht zusammenpassen: Die Wirtschaftskrise ist auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Das sollte die Menschen verunsichern, denkt man. Sie müssten ihr Geld zusammenhalten. Das Gegenteil ist der Fall. Die Konsumlaune wächst sogar. "Wir gehen von einem Konsumwachstum von bis zu 0,5 Prozent für 2009 aus", sagt Klaus Wübbenhorst, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Konsumforschung. Doch wie geht das mit den dunklen Wolken am Wirtschaftshorizont zusammen?
Hier spielen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen haben die Menschen derzeit mehr Geld im Portemonnaie: eine Inflationsrate von nur einem Prozent bei gleichzeitig darüber liegenden Tarifabschlüssen im vergangenen Jahr. Hinzu kommt ein Geldsegen in Form der Pendlerpauschale, die zu Erstattungen von zum Teil mehr als 1000 Euro führt. Und dann sind da auch noch Freundlichkeiten aus dem Konjunkturpaket wie der Kinderbonus von 100 Euro pro Kind, der im nächsten Monat an Kindergeldempfänger ausgezahlt wird.
Zum anderen werden die Verbraucher dazu verführt, auch Geld auszugeben, das sie gar nicht haben, sprich: Schulden zu machen. Da ist die Abwrackprämie, die zwar zunächst ein Geschenk von 2500 Euro darstellt, aber gewiss auch den einen oder anderen dazu verführt, sich für ein Auto zu verschulden, das er sich sonst nicht gekauft hätte. Auch durch die Null-Prozent-Kreditfinanzierung werden die Menschen verleitet, sich durch den Kauf eines Autos zu verschulden.
Eben diese zinslosen Kredite entdeckt nun der Einzelhandel immer mehr für sich, um am Kuchen der Verbraucherausgaben teilzuhaben. Der zinslose Kauf eines Flachbildfernsehers auf Pump klingt auch aus Verbrauchersicht verlockend. Doch Verbraucherschützerin Stefanie Laag, Schuldnerberaterin bei der Verbraucherzentrale NRW, warnt, "dass Kunden ganz massiv verführt werden, sich blenden zu lassen und in die Schuldenfalle zu tappen".
Niedrige Ratenpreise würden in den Vordergrund gestellt, der Käufer verliere den echten Preis aus den Augen, den er zwei Jahre lang abzustottern habe. Und er muss, wenn er den Überblick über seine Schulden verloren hat, den zinslosen Ratenkredit womöglich mit seinem Dispokredit (mehr als zwölf Prozent Zinsen) finanzieren.
Natürlich, wer gut rechnet, kann mit der Null-Prozent-Finanzierung sparen, wenn er gleichzeitig das zum Nulltarif geliehene Kapital zinsbringend anlegt. Aber die Finanzierungskosten dürften durch den Händler in den Kaufpreis eingerechnet sein. Das heißt: ein Preisvergleich mit anderen Angeboten lohnt sich. Auch kann, worauf Verbraucherschützerin Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg aufmerksam macht, ein Barzahler auch in anderer Form profitieren, "weil man beim Händler dann einen Rabatt aushandeln kann".
Hinzu kommt, dass in Verträgen über die Null-Prozent-Finanzierung zuweilen böse Fallen versteckt sind. So wie in dem Fall, den Andreas Schmidt, Wuppertaler Leser unserer Zeitung, erlebte: Er entdeckte in der ersten Abrechnung über seinen Null-Prozent-Kredit einen Posten von 6,90 Euro - "Pauschale für Bereitstellung einer Servicehotline".
Immerhin: Im vergangenen Herbst konnte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hinsichtlich der Verschuldung noch beruhigen: 6,9 Millionen Bundesbürger über 18 Jahre - und damit 6,4 Prozent weniger als im Oktober 2007 - seien überschuldet. Indes: Das ist mehr als jeder Zehnte. Und das Problem dürfte sich mit wachsender Arbeitslosigkeit wieder verschärfen.
Beim Thema Schulden landet man zwangsläufig bei der Ursache der Krise. Schließlich hat es doch genau mit dem Kauf auf Pump angefangen. Mit den US-amerikanischen Immobilienkäufern, die ihre Raten nicht mehr zahlen konnten, was am Ende die Banken ins Wanken brachte.
In Deutschland ist die Kultur, Schulden zu machen, freilich bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei den Amerikanern. Und: Es gibt das Gegenmodell zum verschuldeten Bürger - den Sparer. Die Sparquote, der Anteil des Ersparten am verfügbaren Einkommen, liegt bei 11,3 Prozent. In den USA beträgt sie nur 0,4 Prozent. Hierzulande steht den verschuldeten Haushalten also viel Substanz gegenüber, was sich auch im Geldvermögen widerspiegelt.
Das betrug Ende 2008 laut Sparkassenverband 4,6 Billionen Euro. Hier gibt es also durchaus die Reserven, die sich auch die Politik von einer Belebung des Konsums verspricht. Der Inlandskonsum, der die sinkenden Exporterlöse wenigstens teilweise ausgleichen soll.