Bänker prüfen Wahrscheinlichkeit - Deutschland gewinnt
Frankfurt/Main (dpa) - Mancher Volkswirt sollte es besser mit dem früheren englischen Fußball-Nationalspieler Paul Gascoigne halten: „Ich mache nie Voraussagen und werde das auch niemals tun.“
Doch Ökonomen berechnen nun mal für ihr Leben gerne jedes noch so abstrakte Szenario - regelmäßig auch zur schönsten Nebensache der Welt.
Denn irgendwie haben Fußball-Romantik und Makroökonomie doch vieles gemeinsam, wie eine Studie der Dekabank zur diesjährigen Fußball-Europameisterschaft (10.6.-10.7.) in Frankreich sportlich feststellt: Am Ende hänge alles nur von der einen oder anderen Annahme ab. „Und mit dem Treffen von Annahmen, die für Außenstehende ab und zu etwas realitätsfern erscheinen, kommt man dem Handwerkszeug eines Volkswirts gelegentlich sehr nahe.“
Mit gewohnt „akribischer Datenrecherche und analytischem Tiefgang“ analysieren die Dekabank-Ökonomen den Turnierverlauf und die Siegchancen der 24 Teilnehmerländer. „Um eine möglichst breite Basis und eine unverzerrte Stichprobe zu erhalten, haben wir unter uns Volkswirten wirklich alle befragt und niemanden, also weder Frauen, Ausländer noch Kaiserslautern-Fans ausgeschlossen.“
Flankiert wird der kollektive Fußball-Sachverstand standesgemäß von hochkomplexen Modellrechnungen zur Wahrscheinlichkeit von Sieg oder Niederlage anhand früherer Turniere: „Auf Basis dieser Wahrscheinlichkeiten wurden 10 000 000, in Worten zehn Millionen, Turnierverläufe simuliert und ausgewertet.“
Wie auch immer man es dreht und wendet, ob Experten-Tipp oder quantitativ-komplexe Modellrechnung: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen. Oder wie es die Deka-Analyse nüchtern festhält: „Deutschland wird Spanien im Finale schlagen und mithin Europameister.“ In exakten Deka-Zahlen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Jogis Jungs nach der Weltmeisterschaft 2014 auch den Europameister-Titel holen liegt bei 27,17846 Prozent.
Spannung ist dennoch garantiert, da sind die Fußballkenner der Berenberg Bank sicher - dem Zufall sei Dank. „Glück und Pech treten in ganz unterschiedlichem Gewand auf: in Form von Pfostentreffern, Fehlentscheidungen des Schiedsrichters oder Verletzungen wichtiger Spieler. Nicht selten weitet sich anfängliches Glück oder Pech zum berühmten „Momentum“ aus, das sich jedoch ebenso schnell wieder drehen kann“, philosophierten Berenberg-Ökonomen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in einer gemeinsamen Ausarbeitung mit dem Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI).
Zur EM bekräftigt Berenberg-Fußballkenner Jörn Quitzau: „Die beste Prognose bieten die Wettquoten. Demnach wird Weltmeister Deutschland oder Gastgeber Frankreich Europameister. Allerdings spielt auch der Zufall ein große Rolle im Fußball: Im Schnitt wird jedes zweite Spiel von der Mannschaft gewonnen, die nicht als Favorit ins Spiel gegangen ist.“ Mönchengladbach-Fan Quitzau kann das auch empirisch belegen: Um den Einfluss des Zufalls im Fußball zu quantifizieren, analysierte er erstmals 1998 und in den Folgejahren Wettquoten der 1. Bundesliga, der spanischen Primera División und der englischen Premier League. Sein Fazit heute: „Die drei Erfolgsfaktoren im Fußball sind Finanzkraft, mannschaftliche Geschlossenheit und Zufall.“
Im Nachhinein ist man immer schlauer, das gilt auch für den Fußball. Die Dekabank testete die Verlässlichkeit ihrer Berechnungen anhand eines Rückblicks auf die Europameisterschaft 2012 - und siehe da: „Der damalige Sieg Spaniens wird tatsächlich korrekt vorhergesagt, allerdings nicht das gute Abschneiden Italiens, was für die Prognosen zur aktuellen EM zu denken gibt.“ Die Italiener schafften es vor vier Jahren bis ins Finale. Dieses Mal, so die ökonomischen Prognosen, ist für die Azzurri im Viertelfinale Endstation gegen Deutschland.
Ganz treffsicher - das räumen die ballsicheren Deka-Volkswirte durchaus ein - sind ihre Vorhersagen nicht. 2012 etwa sahen die Modellrechnungen die Nationalelf der Niederlande ziemlich weit vorne - doch das Team schied ohne Punktgewinn als Gruppenletzter nach der Vorrunde aus. Immerhin müssen sich die Ökonomen zur EM 2016 mit dieser Problematik nicht auseinandersetzen: Der Erzrivale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft scheiterte bereits in der Qualifikation, Oranje spielt in Frankreich nicht mit um den Titel.